Wie neue Blutgefäße entstehen

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Winzige Blutkapillaren bringen das Blut fast zu jeder Zelle des Organismus. Jetzt haben Fraunhofer-Forscher den Faktor entdeckt, der die Bildung von neuen Blutgefäßen anregt. Dies eröffnet große Perspektiven zur Behandlung bei Durchblutungsstörungen.

Endothelzellen
Konfluente Monoschicht kapillarer Endothelzellen.
Angiotropin
Ausbildung kapillarähnlicher Strukturen nach Applikation von Angiotropin.

Der Blutkreislauf verteilt die in der Lunge mit Sauerstoff angereicherte Flüssigkeit im gesamten Organismus, führt sie zu den Organen und wieder zurück zum Herzen. Winzige Kapillaren sorgen dafür, daß das Blut selbst die entfernteste Zelle erreicht, denn auch die Zehenspitzen wollen durchblutet sein. Wie neue Blutgefäße nach einer Verletzung entstehen, darüber wußte die medizinische Forschung bis vor kurzem kaum etwas. Forschern des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart ist es nun gelungen, ein bißchen mehr Licht in das Dunkel der Angiogenese – der Neubildung von Blutkapillaren – zu bringen: Sie entdeckten in Zellkulturuntersuchungen mit Schweineblut, daß weiße Blutkörperchen einen Faktor absondern, der dazu führt, daß sich neue Blutgefäße bilden. »Wir haben ihn auf den Namen Angiotropin getauft«, berichtet der Chemiker Dr. Stefan Kiesewetter, der die ungewöhnliche Struktur des körpereigenen Wirkstoffes aufklären konnte: Neben einem Eiweißmolekül ist darin auch eine Nukleinsäure (RNA) enthalten.

Als Beweis lassen die Wissenschaftler in einer Kulturschale Zellen aus der Wand von Blutkapillaren nebeneinander wachsen. Geben sie das gereinigte Angiotropin darauf, so lagern sich die Zellen innerhalb von zwei bis drei Tagen zu einer Kapillare zusammen. Nicht umsonst haben die Stuttgarter Forscher ihre Erkenntnisse patentiert. Stefan Kiesewetter erwartet, daß Angiotropin in der Tiermedizin schon bald eingesetzt werden könnte – bei der Behandlung von Verletzungen oder um bei Masttieren die Gewebedurchblutung und damit das Muskelwachstum zu verbessern.

Als nächstes Ziel haben sich die Stuttgarter Forscher das Angiotropin des Menschen vorgenommen. Denn mit seiner Hilfe könnten Ärzte zum Beispiel Bypass-Operationen am Herzen unterstützen, Gefäßkrankheiten lindern oder die Heilung von Wunden fördern. Und mit einem besseren Verständnis von der Angiogenese ergeben sich vielleicht auch neue Möglichkeiten, die Durchblutung dort zu verhindern, wo sie unerwünscht ist – zum Beispiel bei den chronischen Entzündungen, bei Gelenkrheumatismus oder bei den Tochtergeschwülsten von Tumoren.