PRR-Antagonisten und -Agonisten als neue Immunmodulatoren

Die Rezeptoren des angeborenen Immunsystems erkennen konservierte molekulare Muster infektiöser Erreger, aber auch isolierte chemische Strukturen (PAMPs, pathogen-associated molecular patterns) und werden Pattern-Recognition-Rezeptoren (PRRs) genannt [1]. Unter den PRRs stellen die Toll-like-Rezeptoren (TLRs) die größte und bekannteste Familie dar. Eine Stimulation der TLRs führt über die Aktivierung verschiedener Signalkaskaden und Transkriptionsfaktoren zur Produktion proinflammatorischer Zytokine und spielt damit eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von pathologischen Prozessen in akuten und chronischen Entzündungskrankheiten des Menschen [2].

Daher sind Agonisten und Antagonisten von TLRs ein neuer therapeutischer Ansatz für die Immuntherapie über Immunmodulatoren. Agonisten stimulieren das angeborene Immunsystem und werden häufig als Wirkstoffadjuvanzien eingesetzt, während Antagonisten Entzündungsprozesse hemmen [3]. Das mögliche Indikationsspektrum reicht von Allergien, Infektionen und Tumoren bis hin zu Autoimmunerkrankungen. Ziel eines internationalen Projekts am IGB ist die Suche nach neuen TLR-Antagonisten/Agonisten, um Entzündungsreaktionen und Allergien therapieren zu können.

Molekulare Simulation zum Screening nach Wirkstoffkandidaten

TLR9-ODN-Komplex.
© Theoretical Biology and Medical Modelling 2013, 10:1. doi:10.1186/1742-4682-10-18
Struktur des humanen TLR9 unter Bindung des Antagonisten ODN (Rezeptor-Antagonist-Komplex) [6].,Theoretical Biology and Medical Modelling 2013, 10:1. doi:10.1186/1742-4682-10-18.

Herkömmlicherweise wird mittels High-Throughput-Screenings (HTS) nach TLR-Antagonisten/Agonisten gesucht. Dieser Prozess ist jedoch sehr langwierig und kostspielig.

Durch computergestützte Simulationen kann unser Kooperationspartner, das Institute for Drug Research der Hebräischen Universität Jerusalem (IDR), die Dauer und Kosten des Screening-Prozesses enorm reduzieren. Über die Bereitstellung von 3D-Bindungsmodellen der entsprechenden Rezeptoren wird der Prozess zusätzlich vereinfacht. Die eingesetzte Software beinhaltet eine große Bandbreite an Funktionen wie die Integration von molekularen Eigenschaften, statistischer Evaluation und Forschungsalgorithmen.

Im Speziellen setzt das IDR die Iterative Stochastic Elimination (ISE) ein, um neue Liganden für die TLRs zu entdecken. Diese innovative In-silico-Methode, welche weit über den Stand der Technik hinausgeht, wird auch eingesetzt, um die Bioaktivität der Substanzen vorherzusagen.

Überprüfung der TLR-modulierenden Wirkung im Reportergen-Assay

Reportergen-Assay.
Schematische Darstellung des zellbasierten Reportergen-Assays.

Eine über die Simulationen vorhergesagte Substanzbibliothek für spezifische TLR-Agonisten/Antagonisten wird synthetisiert und nachfolgend in einem am Fraunhofer IGB etablierten und patentierten zellbasierten Testsystem validiert [4, 5]. Dieses Testsystem ermöglicht die Detektion und Differenzierung von PRR-modulierenden Substanzen über einen einfachen Reportergen-Assay und kann auch nach GLP (Good Laboratory Practice) durchgeführt werden. Für die Etablierung des Assays wurde der entsprechende humane PRR-Rezeptor in die NIH3T3-Fibroblasten-Zelllinie, welche TLRs natürlicherweise kaum nachweisbar exprimiert, stabil eingebracht. Zusätzlich wurde in diese Zellen ein Reportergen, welches durch die PRR-Aktivität induziert wird, stabil integriert. Die Induktion des Rezeptors durch einen spezifischen Liganden führt zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-kB. Dies wiederum induziert die Expression des Reportergens, z. B. einer sekretierten, alkalischen Phosphatase (SEAP) [4, 5].

Über die Expression des Reportergens kann der Einfluss von Substanzen (Antagonisten sowie Agonisten) auf die Aktivität des Rezeptors direkt und quantitativ nachgewiesen werden. Der PRR-spezifische zellbasierte Assay ist damit ein schnelles und flexibles Werkzeug, um Leitsubstanzen für die Arzneimittelentwicklung zu identifizieren.

Erste Hits identifiziert

Zellbasierter Reportergen-Assay.
Zellbasierter Reportergen-Assay in Zellkulturplatten.

Zunächst wurden Antagonisten für TLR9 als potenzielles Therapeutikum zur Behandlung der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes basierend auf dem Algorithmus der kooperierenden Hebräischen Universität identifiziert. Erste vorhergesagte Substanzbibliotheken für spezifische TLR9-Bindemoleküle wurden synthetisiert und in dem am IGB etablierten zellbasierten Reporter-Assay untersucht (Abb. 3 und 4). Dabei wurde unter anderem die jeweilige mittlere inhibitorische Konzentration (IC50) einer antagonistischen Substanz ermittelt. Als IC50 wird die Konzentration eines Inhibitors bezeichnet, bei der eine halbmaximale Inhibition beobachtet wird. Diese vielversprechenden Treffer (Hits) werden von den Experten der Hebräischen Universität anhand der am IGB erhobenen Daten modifiziert, optimiert und im Anschluss erneut am IGB getestet.

Ausblick

Die mithilfe des zellbasierten Assays am IGB identifizierten Moleküle stellen potenzielle Arzneimittelkandidaten für die Prävention und Therapie immunologischer Erkrankungen dar. Die komplementären Kompetenzen der Partner – das einzigartige, patentierte Verfahren für molekulare Simulation der Hebräischen Universität und der am IGB entwickelte zellbasierte TLR-Screening-Assay – schaffen einen entscheidenden Mehrwert im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des anspruchsvollen Ziels, neue TLR-basierte Immunmodulatoren für die Therapie und Prophylaxe verschiedener medizinischer Indikationen zu finden.

Literatur

[1] Akira, S.; Takeda, K. (2004) Toll-like receptor signalling, Nat Rev Immunol 4: 499–511

[2] Akira, S.; Uematsu, S.; Takeuchi, O. (2006) Pathogen recognition and innate immunity, Cell 124: 783–801

[3] Vasilakos, J. P.; Tomai, M. A. (2013) The use of Toll-like receptor 7/8 agonists as vaccine adjuvants, Expert Rev. Vaccines 12: 809–19

[4] Burger-Kentischer, A.; Abele, I. S.; Finkelmeier, D.; Wiesmüller, K. H.; Rupp, S. (2010) A new cell-based innate immune receptor assay for the examination of receptor activity, ligand specificity, signalling pathways and the detection of pyrogens, J Immunol. Methods 358: 93–103

[5] Zellbasiertes Testsystem zur Identifizierung und Differenzierung von Keimspektren (2009) Patent DE 10 2006 031 483; EP 2 041 172

[6] Zhou, W. et al. (2013) Toll-like receptor 9 interaction with CpG ODN – an in silico analysis approach, Theor. Biol. Med. Model. 10: 18

  • Projektlaufzeit: 11/2012 – 10/2015
  • Koordinator: Fraunhofer IGB

Projektpartner

  • Hebrew University of Jerusalem, Institute for Drug Research (IDR), Jerusalem, Israel

Förderung

Wir danken der Fraunhofer-Gesellschaft für die Förderung des Projekts »Discovery and delivery of PRR antagonists and agonists to regulate innate immune reaction« im Rahmen des Programms ICON.