Zellbasierte Testsysteme zur Bewertung der Sicherheit von Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten

Die Abteilung Zell- und Gewebetechnologien des Fraunhofer IGB entwickelt spezifische In-vitro-Modellsysteme, um pharmazeutische Wirkstoffe, kosmetische Präparate, aber auch Chemikalien wie Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte zu testen und hinsichtlich ihres Gefahrenpotenzials für Mensch und Umwelt zu bewerten. Die Testsysteme reichen dabei je nach Fragestellung von einfacheren 2D-Zellassays über Organoide bis hin zu komplexen 3D-Gewebemodellen.

Sicherheit und Unbedenklichkeit chemischer Substanzen für Gesundheit des Menschen und die Umwelt

Arzneimittel sind für die Gesundheit von Mensch und Tier unerlässlich, doch der vermehrte Verbrauch und ihr oftmals unkritischer Einsatz führen zu einer Zunahme schädlicher und dauerhafter Rückstände in der Umwelt, die unerwünschte Wirkungen auf Organismen, Populationen und Ökosysteme haben können. Besonders betroffen hiervon sind Oberflächen- und Grundwasser sowie Böden. Problematisch ist auch die Entstehung von Resistenzen, die durch den übermäßigen, unspezifischen und sorglosen Einsatz von Antibiotika begünstigt werden.

 

Reduzierung von Problemchemikalien in der Umwelt: durch Entfernung und Minimierung ihres Eintrags

Technische Lösungen zur Erfassung und Eliminierung von Schadstoffen, z. B. PFAS oder Arzneimittelrückständen, aus Abwässern schaffen Abhilfe, um gesundheitsschädigende Auswirkungen persistenter Stoffe über das Trinkwasser zu reduzieren.

Gleichzeitig gilt es, den Eintrag von Schadstoffen und Arzneimitteln in die Umwelt zu minimieren und den Fokus auf die Entwicklung umweltfreundlicher, bioabbaubarer Arzneimittel zu legen. Hierzu werden Methoden zur schnellen und umfassenden Erfassung des Umweltgefährdungspotenzials von neuen Wirkstoffen benötigt.

 

Zweig mit Sprössling.

In-vitro-Modellsysteme zur Bewertung des Gefährdungspotenzials von Stoffen für Mensch und Umwelt

Genau daran arbeiten wir am Fraunhofer IGB. Die Abteilung Zell- und Gewebetechnologien entwickelt spezifische In-vitro-Modellsysteme, um pharmazeutische Wirkstoffe, kosmetische Präparate, aber auch Chemikalien wie Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte zu testen und hinsichtlich ihres Gefahrenpotenzials für Mensch und Umwelt zu bewerten. Die Testsysteme reichen dabei je nach Fragestellung von einfacheren 2D-Zellassays über Organoide bis hin zu komplexen 3D-Gewebemodellen.

Die herausragende Aussagekraft unserer In-vitro-Modellsysteme erreichen wir vor allem durch folgende Kerntechnologien:

  • Gezielte Entwicklung von zellbasierten Reportertestsystemen, mit denen sich lokale Wirkungen (z. B. Sensibilisierung) ebenso nachweisen lassen wie umfassendere physiologische Wirkungen (z. B. durch endokrine Mechanismen vermittelte toxische Effekte)
  • Einsatz spezifischer Rezeptoren (Immun- und Hormonrezeptoren), die über die Bindung spezieller Liganden als Biosensoren für die Point-of-Care-Diagnostik fungieren

Vorteile und Technologiereife der Testsysteme

Die Basis unserer spezifischen Reporterzellen sind Primärzellen gesunder Spender. Direkt aus dem Ursprungsgewebe isoliert, ähneln diese – im Gegensatz zu kommerziellen Zelllinien aus Tumorgeweben – dem In-vivo-Zustand der Zellen und weisen eine normale Physiologie auf. Durch gezielte Immortalisierung lassen sich die isolierten Primärzellen kontinuierlich kultivieren und stehen damit reproduzierbar und unbegrenzt zur Verfügung. Aufgrund dieser Eigenschaften eignen sie sich hervorragend als Modellsysteme, um Auswirkungen von Wirkstoffen und toxischen Substanzen auf Zellen zu untersuchen und deren Gefahrenpotenzial zu charakterisieren. Eingesetzt in zellbasierten Testsystemen, können wir die In-vivo-Situation realitätsnah nachstellen und Zellreaktionen in Echtzeit analysieren.

Zellbasierte Assays, insbesondere auf Basis von Reporterzellen, sind über photometrische Auswertungsverfahren zudem hochdurchsatzfähig und sparen Zeit und Kosten. Reportergen-Assays sind von unschätzbarem Wert für Untersuchungen der Genexpression oder der Aktivierung von Zellsignalwegen. Die Aktivierung von Zellsignalwegen wird über die Quantifizierung der Expression des Reportergens nachgewiesen und gemessen. So können wir mit unseren Reportergen-Assays ganz spezifische Fragestellungen in Echtzeit verfolgen, beispielsweise ob und in welchem Maße Substanzen allergische Reaktionen auslösen oder zu gesundheitsschädlichen Wirkungen führen. 

Tabelle: Am Fraunhofer IGB etablierte Testsysteme zur Untersuchung unterschiedlicher Effekte von Substanzen

Testsystem Getestete Substanzwirkung Technologiereifegrad
Sensibilisierung in zellbasierten Assays und in 3D-Vollhautmodellen Auslösen allergischer Reaktionen TRL 9
Inflammation in zellbasierten Assays und in 3D-Vollhautmodellen Auslösen von Entzündungsreaktionen TRL 9
Toxizität in zellbasierten Assays Nachweis zytotoxischer Wirkung TRL 9
Endokrine Wirkung in zellbasierten Assay Gesundheitsschädliche Wirkungen, die über eine Beeinflussung des Hormonsystems ausgelöst werden TRL 2
Kombinatorische metabolische und hormonelle Wirkungen (Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor, Leptin-Rezeptor und Östrogen-Rezeptor) Gesundheitsschädliche Wirkungen, die über eine Beeinflussung des Hormonsystems ausgelöst werden TRL 2
Kombinatorische Wirkungen von Zellstress in zellbasierten Assays Auslösen von ER-Stress, oxidativem Stress und Entzündungsreaktionen TRL 8

Zusammenarbeit und Leistungsangebot

© Fraunhofer IGB

Die bisher etablierten zellbasierten Test- und Screeningassays mittels Reportersystemen wurden patentrechtlich geschützt und stehen unseren Kunden und Projektpartnern exklusiv für Auftragsanalysen oder über Auslizenzierungen zur Verfügung.

Mit unserer Expertise entwickeln wir gerne weitere Modelle nach den spezifischen Anforderungen unserer Kunden. Unsere Technologien lassen sich für zahlreiche Anwendungen einsetzen, in Medizin, Pharmazie und Veterinärmedizin, in der Umweltbiotechnologie, in der industriellen Biotechnologie sowie für biotechnologische Prozesse im Allgemeinen.

Leistungsangebot im Überblick

 

Mit unseren zellbasierten Screening- und Bewertungsmethoden zur Umweltgefährdungsvorhersage, z. B. von endokrinen Disruptoren, sind wir in der Lage, die Nachhaltigkeit bzw. das Gefährdungspotenzial von  Arzneimitteln/Pflanzenschutzmitteln/Bioziden während der Entwicklungsphase zuverlässig zu testen.

 

Auftragstestung von Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten

  • Screening neuer Substanzen und Ersatzstoffe
  • Studien zur Wirkstoffabgabe
  • Studien zur Wirkung auf Haut und Darm
  • Wirkungsweise von Arzneimitteln und Wirkstoffen
  • Studien zur Wundheilung
  • Toxikologische Bewertung von Chemikalien und Produkten
  • Analyse von Umwelteinflüssen auf die Hautphysiologie

 

Etablierung maßgeschneiderter Reportergen-Assays für kundenspezifische Fragestellungen

  • Nachweis molekularer Substanzreaktionen
    • wirkungszentriert (z. B. zum Nachweis von ER-Stress)
    • stoffzentriert (z. B. zum kombinatorischen Nachweis metabolischer und endokriner Wirkungen von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, PFAS)
  • Nachweis von Wirkungen auf das Zentralnervensystem
    • Nachweis von Neurotoxinen, z. B. mittels Acetylcholinrezeptoren
  • Nachweis von Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System
    • Nachweis von Kardiotoxinen, z. B. mittels HER2-Rezeptoren
  • Nachweis von kanzerogenen Wirkungen
    • mittels wachstumsfaktorspezifischer Rezeptoren, z. B. EGF-Rezeptor
  • Nachweis von teratogenen Wirkungen
    • mittels bestimmter Kernrezeptoren, z. B. PPARd 

Unsere Entwicklungen und Angebote

 

Zellbasierte 2D-Assays für Diagnostik, Qualitätskontrolle, Screening

Wir bieten zellbasierte Assaysysteme für die Diagnostik, die Qualitätskontrolle, das Wirkstoffscreening oder den Nachweis von Pyrogenen. Diese eignen sich zur Untersuchung medizintechnischer Geräte und pharmazeutischer Formulierungen auf Pyrogenfreiheit und können bisherige Tests ergänzen oder ersetzen.

 

3D-Hautmodelle

Wir entwickeln metabolisch aktive 3D-Hautmodelle verschiedener Komplexität als In-vitro-Testsysteme basierend auf immortalisierten primären oder primären Zellen. Diese bilden die komplexe Physiologie der Haut einschließlich der Hautbarriere ab. Durch Integration von Immunzellen und Reportersystemen eignen sie sich für die In-vitro-Testung von Substanzen auf Toxizität, Allergenität oder immunmodulierende Eigenschaften.

 

Organoide und Sphäroide

Wir etablieren Organoide aus Stammzellen und Sphäroide aus (Tumor-)Zelllinien als multizelluläre 3D-In-vitro-Mikrogewebe. Diese ahmen die Mikroumgebung von Zellen einschließlich der morphologischen und physiologischen Eigenschaften komplexer Gewebe und Organe nach. Einen Schwerpunkt bilden Krankheitsmodelle (Krebs, Dünndarm) sowie intestinale Modelle zum Screening von Wirkstoffen und Probiotika.

Kontakt

Anke Burger-Kentischer

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Dr. Anke Burger-Kentischer

Abteilungsleiterin Zell- und Gewebetechnologien

Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
Nobelstr. 12
70569 Stuttgart

Telefon +49 711 970-4023

Fax +49 711 970-4200