Power-to-X und »grüne« Plattformchemikalien

Wir arbeiten an Prozessen, die die nachhaltige Versorgung der zukünftigen chemischen Industrie mit erneuerbaren und CO2‑neutralen Plattformchemikalien ermöglichen.

Dabei verfolgen wir vor allem einen Drop‑in‑Ansatz: Konventionelle chemische Ausgangsstoffe werden über neue Prozessrouten auf vollständig erneuerbarer Stoff- und Energiebasis bereitgestellt. Power‑to‑X‑to‑Y‑Prozesskaskaden spielen hier eine zentrale Rolle: Einfache, aber energiereiche Produkte aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff und CO2 bzw. Stickstoff sind Methanol und Ammoniak. Diese wichtigen chemischen Verbindungen bilden wiederum Ausgangsstoffe für die Synthese von Plattformchemikalien oder die Herstellung von organischen Säuren, Aminosäuren oder Sekundärmetaboliten mithilfe von Bioprozessen.

Weitere wichtige chemische Produkte, für die wir neue grüne Syntheseverfahren entwickeln und Katalysatoren testen, sind Acrylsäure und Acrylnitril sowie Dimethylfuran (DMF).

Chemische (thermokatalytische) Konversion von CO2 mit Wasserstoff

Pilotanlage zur Methanolsynthese
Pilotanlage zur Methanolsynthese

Methanol ist ein vielfältig nutzbares Power-to-X-Produkt, das mit hoher Selektivität durch direkte thermokatalytische Umsetzung von CO2 mit Wasserstoff synthetisiert werden kann. Als wichtige Plattformchemikalie bildet Methanol einen Ausgangsstoff für viele bedeutende Produkte der chemischen Industrie sowie für den Transportsektor. Dazu zählen Olefine wie Ethen (Ethylen) und Propen (Propylen), aromatische Verbindungen und Polymerbausteine, aber auch synthetische Kraftstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin).

 

Unsere Entwicklung: Thermokatalytische Methanolsynthese aus CO2

Wir erforschen die thermokatalytische Methanolsynthese aus CO2, um mithilfe stabiler Katalysatoren CO2 aus industriellen Punktquellen (Abgase von Zementwerken, Bioraffinerien etc.) nutzen zu können. Im Gegensatz zu hochreinem CO2 enthalten diese Abgase neben CO2 je nach Ursprung verschiedene Spurenkomponenten, z. B. Sauerstoff, Ammoniak oder Schwefelverbindungen, welche die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer des Katalysators erheblich beeinträchtigen können. In unserer Forschung untersuchen wir den Einfluss solcher Katalysatorgifte und entwickeln Maßnahmen zum Schutz des wertvollen Katalysators.

 

Vorteile und Technologiereife

Die Synthese von Methanol ist ein großtechnisch etabliertes Verfahren (TRL 9). Das konventionelle Verfahren basiert auf Synthesegas als Ausgangsstoff, einem Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid (CO), welches aus fossilen Ressourcen (Kohle oder Erdgas) hergestellt wird.

Die direkte Synthese aus CO2 und Wasserstoff befindet sich bereits am Beginn einer industriellen Anwendung. Der Vorteil der direkten Prozessroute besteht in der Vermeidung eines vorgeschalteten, technisch anspruchsvollen Prozesses zur Umsetzung von CO2 zu CO.

Der Einfluss möglicher Katalysatorgifte in CO2-Strömen aus industriellen Punktquellen ist derzeit noch unzureichend untersucht. Hier besteht Entwicklungsbedarf, um stabile und resiliente Katalysatoren für die CO2-basierte Methanolsynthese bereitzustellen. Insbesondere sind Untersuchungen zur Upstream-Prozessintegration der Methanolsynthese mit verschiedenen technischen CO2-Quellen wichtig, um die verschiedenen Abgase für einen stabilen und leistungsfähigen Prozess aufbereiten zu können.

 

Zusammenarbeit

Wir möchten unsere Forschung und Entwicklung zur Methanolsynthese mit Partnern aus der gesamten Wertschöpfungskette vorantreiben: Firmen, die CO2 als Rohstoff aus einem industriellen Prozessgasstrom bereitstellen können, die an der Entwicklung oder Produktion geeigneter Katalysatoren arbeiten, die bereits in der Methanolherstellung aktiv sind, oder die Methanol für weitere Umsetzungen nutzen. Hierfür bieten wir unseren Partnern Infrastruktur vom Labor- bis in den Pilotmaßstab an, um eine integrierte Prozessentwicklung zu ermöglichen. 

Acrylsäure und Acrylnitril aus nachwachsenden Rohstoffen

Acrylsäure und ihre Derivate (z. B. Acrylnitril) sind wichtige chemische Verbindungen, die in der Kunststoffindustrie und der Herstellung von Beschichtungen, Klebstoffen und Textilien weit verbreitet zum Einsatz kommen. Diese Verbindungen werden konventionell aus fossilen Rohstoffen hergestellt und sind entsprechend mit einem großen ökologischen Fußabdruck belastet. Aus diesem Grund sucht die chemische Industrie nachhaltige Produktionsrouten, die die Bereitstellung von Acrylsäure und Acrylnitril aus nachwachsenden Rohstoffen ermöglichen.

 

Unsere Entwicklung: Prozesse zur Synthese aus nachwachsenden Rohstoffen

Wir arbeiten an innovativen Prozessen zur Synthese von Acrylnitril und Acrylsäure aus nachwachsenden Rohstoffen, wie etwa Glycerin. Dabei konzentrieren wir uns auf thermokatalytische Konversionsprozesse wie die Ammonoxidation und andere Oxidationsreaktionen. Unser Ansatz umfasst die Synthese und Testung geeigneter Katalysatoren sowie die Prozessentwicklung und Skalierung, um die Effizienz und Nachhaltigkeit zu verbessern.

Prozessschema zur Synthese von Acrylnitril aus erneuerbaren Rohstoffen
© Fraunhofer IGB
Prozessschema zur Synthese von Acrylnitril aus erneuerbaren Rohstoffen

Vorteile und Technologiereife: Drop-in-Ansatz für nahtlose Integration

Bedeutende Reaktionen wie die Ammonoxidation sind industriell etablierte Prozesse, die wir auf die Umsetzung nachwachsender Rohstoffe übertragen. Einem Drop-in-Ansatz folgend können die nachhaltig synthetisierten Produkte nahtlos in bestehende industrielle Prozesse integriert werden, die erforderliche Reinheit vorausgesetzt. Somit eröffnen wir neue Syntheserouten zu Acrylsäure und ihren Derivaten als wichtige Plattformchemikalien, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch vorteilhaft sind.

 

Zusammenarbeit: Prozessentwicklung von Katalysator-Screening und -Synthese bis zur Prozessoptimierung und -skalierung

Unser Ziel ist es, die Syntheseprozesse von Acrylsäure und ihren Derivaten auf eine erneuerbare Rohstoffbasis zu stellen und damit die Rohstoffwende in der chemischen Industrie zu unterstützen. Dafür bieten wir eine umfassende Prozessentwicklung an, die alle Phasen umfasst: vom Screening in Laborreaktoren über die Synthese und Testung von Katalysatoren bis hin zur Prozessoptimierung und -skalierung bis in den Pilotmaßstab.

Publikation

Melcher, F.,Vogelgsang, F.,Haack, M.,Masri, M.,Ringel, M.,Roth, A.,Garbe, D., & Brück,T. (2023). Lipase-mediatedplantoilhydrolysis—Toward a quantitative glycerol recovery for the synthesis of pure allyl alcohol and acrylonitrile. European Journal of Lipid Science & Technology, 2200196.

https://doi.org/10.1002/ejlt.202200196 

Herstellung von grünem Ammoniak

Die Produktion von »grünem« Ammoniak aus erneuerbaren Quellen wird in Zukunft eine wichtige Säule der globalen Wirtschaft bilden. Als »Power-to-X«-Produkt trägt grünes Ammoniak wesentlich zur Kopplung verschiedener Sektoren bei und hilft so bei der Realisierung einer stabilen erneuerbaren Energielandschaft.

 

Einsatzgebiete: Dünger, Speicherstoff und Kraftstoff

Ammoniak wird in riesigen Mengen insbesondere zur Produktion von Düngemitteln benötigt und wird als Zwischenprodukt in der chemischen Industrie verwendet. Gleichzeitig ist es gut speicherbar und transportabel, wodurch sich Exportchancen für Länder mit hohen erneuerbaren Energiepotenzialen ergeben. Ammoniak kann zudem als Wasserstoffspeicher verwendet werden, wobei der gespeicherte Wasserstoff bei Bedarf durch thermische Zersetzung freigesetzt wird. Weiterhin ist Ammoniak ein vielversprechender schwefel- und kohlenstofffreier Kraftstoff für den Schiffsverkehr. Seit 2020 haben einige Werften damit begonnen, neue Frachtschiffe mit Ammoniak-kompatiblen Motoren auszurüsten.

Das Fraunhofer IGB beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der grünen Ammoniakproduktion als Zukunftstechnologie.

 

Unser Angebot: Entwicklung von Herstellungsprozessen 

Bereits im November 2018 startete das Forschungsprojekt Green Ammonia im Auftrag des Düngemittelherstellers OCP, in dem gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS neue Technologien zur nachhaltigen Produktion von Ammoniak untersucht wurden.

Den Aktivitäten des IGB im Bereich der grünen Ammoniakproduktion kommt im Kontext der politischen Agenda in vielen Regionen der Welt strategische Bedeutung zu. Mit Voranschreiten der weltweiten Energiewende ist zu erwarten, dass Ammoniak als speicherbarer und transportabler Energievektor mit einer bereits existierenden Infrastruktur eine bedeutende Rolle spielen wird.

Vorteile

  • Klimaneutrale Produktion von Plattformchemikalien auf erneuerbarer Rohstoff- und Energiebasis
  • CO2-Kreislaufwirtschaft bei Verwertung von CO2
  • Drop-in-fähige Syntheserouten
  • Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen
  • Dezentrale Produktion möglich

Unsere Leistungen

  • Entwicklung von Prozessen inklusive Katalysatorsynthese, -screening und -optimierung
  • Prozessskalierung
  • Herstellung von Mustermengen

Publikationen

J. T. Fabarius, C. Pietzka, D. Pangotra, L. Vieira, C. Sagstetter, M. Speck, A. Roth et al. (2024). Process Cascade for the Production of Green Polymers from CO2 and Electric Energy. Chemie Ingenieur Technik, 96(5), 698-712.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cite.202400002 

 

Melcher, F.,Vogelgsang, F.,Haack, M.,Masri, M.,Ringel, M.,Roth, A.,Garbe, D., & Brück,T. (2023). Lipase-mediatedplantoilhydrolysis—Toward a quantitative glycerol recovery for the synthesis of pure allyl alcohol and acrylonitrile. European Journal of Lipid Science & Technology, 2200196.
https://doi.org/10.1002/ejlt.202200196 

Referenzprojekte

 

Januar 2024 – Dezember 2026

AmmonVektor

Grünes Ammoniak als dezentraler, sektorenübergreifender Energievektor für die deutsche Energiewende

Ammoniak lässt sich in seiner flüssigen Form technisch einfach und ohne großen Energieaufwand transportieren. Im Fraunhofer-Leitprojekt untersuchen Forschende die gesamte Wertschöpfungskette und nutzen den Vorteil, dass Ammoniak durch die Düngemittelproduktion bereits über eine weltweite Transportinfrastruktur verfügt.

 

November 2022 – Oktober 2025

DiMeFu

Dimethylfuran als nachhaltiges Folgeprodukt von 5-Hydroxymethylfurfural: Herstellung und Anwendungen eines biobasierten Lösungsmittels

Ziel des Projekts ist die weitere Optimierung und die anschließende Hochskalierung eines heterogen katalysierten Prozesses. Im Rahmen eines DFG-Vorgängerprojekts wurde 5-Hydroxymethylfurfural (5-HMF) mittels neuartiger Pd-basierter Katalysatoren geträgert auf N-dotiertem Kohlenstoff und erfolgreich zu Dimethylfuran (DMF) umgesetzt.

 

Januar 2021 – Dezember 2023

Fraunhofer-Leitprojekt »ShaPID«

Shaping the Future of Green Chemistry by Process Intensification and Digitalization

Aufgrund globaler Herausforderungen in Klimaschutz, Energie- und Ressourceneffizienz will die chemische Industrie ihre Produktionsprozesse defossilisieren und eine zirkuläre, treibhausgasneutrale Stoff- und Energiewandlung etablieren. Fraunhofer unterstützt bei dieser Transformation.

 

Juli 2019 – Juni 2022

GreenCarbon

Carbonfasern werden bislang aus fossilen Rohstoffen hergestellt. Einem Forschungskonsortium unter der Führung der Technischen Universität München (TUM) ist es gelungen, eine Herstellungsroute für Carbonfasern aus erneuerbaren Rohstoffen zu entwickeln. Fraunhofer-Forschende haben hierzu ein Verfahren entwickelt, mit dem Glycerin katalytisch in Acrylnitril umgewandelt werden kann, den zentralen Ausgangsstoff für die Carbonfaserproduktion.

 

November 2018 – Juli 2020

Green Ammonia

Grüne Ammoniakproduktion in Marokko

Ammoniak wird in großen Mengen zur Produktion von Düngemitteln benötigt. Im Auftrag des marokkanischen Düngemittelherstellers OCP hat das Fraunhofer IGB, gemeinsam mit dem Fraunhofer IMWS neue Technologien zur nachhaltigen Produktion von Ammoniak untersucht.