Infektionen – Prävention, Diagnose, Wirkstoffentwicklung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die durch das neuartige Coronavirus SARS‑CoV‑2 ausgelöste Pandemie Covid‑19 als »Notfall für die öffentliche Gesundheit von internationalem Ausmaß« deklariert. Doch auch unabhängig von der Coronakrise sind Infektionen für viele Menschen eine Gefahr. So gehören nach Angaben der WHO in den nicht industrialisierten Ländern durch Bakterien, Viren und Parasiten ausgelöste Erkrankungen immer noch zu den häufigsten Todesursachen. An HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria etwa sterben weltweit fast fünf Millionen Menschen pro Jahr.

Auch in den Industrieländern sind Infektionserkrankungen wieder auf dem Vormarsch. Vor allem der breite Einsatz von Antibiotika, einst Wunderwaffe gegen bakterielle Erreger, hat dazu geführt, dass heute viele Erregern Resistenzen gegen die Antibiotika tragen. Laut einer Studie des Robert Koch‑Instituts (RKI) und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) erkranken in der EU jährlich 670 000 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger – etwa 33 000 Menschen pro Jahr sterben daran [1]. Zudem werden kaum neue Antibiotika zugelassen; Experten sprechen daher längst vom post‑antibiotischen Zeitalter.

Eine besondere Herausforderung ist, allen medizinischen Fortschritten zum Trotz, die Diagnose und Therapie einer Sepsis, die in der Regel mit Breitbandantibiotika behandelt wird. Schätzungen zufolge erkranken allein in Deutschland pro Jahr etwa 150 000 Menschen an einer Sepsis, zwischen 30 und 50 Prozent der Patienten sterben an den Folgen der »Blutvergiftung«.

 

[1] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/Uebersichtsbeitraege/AMR_Europa.html, https://www.ecdc.europa.eu/en/news-events/33000-people-die-every-year-due-infections-antibiotic-resistant-bacteria, https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(18)30605-4/fulltext, abgerufen am 8. April 2020

 

 

Fraunhofer vs. Corona

Expertinnen und Experten von Fraunhofer wirken bei der Bekämpfung der COVID‑19‑Pandemie an vorderster Front mit – und unterstützen Wirtschaft und Gesellschaft bei der Bewältigung direkter Auswirkungen und späterer Folgen. Wir am Fraunhofer IGB sind mit elf Projekten beteiligt.

 

Prävention

ELPEDES – H2O2 für die Desinfektion

Elektrolytische Produktion von H2O2 für die dezentrale, autarke Herstellung von Desinfektionsmitteln im Eigenbedarf von Krankenhäusern.

Ziel ist eine Anlage, in der eine H2O2-Lösung elektrolytisch produziert wird, die in für Desinfektionsmittel bedarfstragenden Einrichtungen vorgehalten oder auch stetig betrieben werden kann.  

Prävention

PAPR – Modulares Atemschutzgerät

Entwicklung eines wiederverwendbaren Gebläse-unterstützten Atemschutzgeräts (PAPR, powered air-purifying respirator) zum Infektionsschutz von medizinischem Personal.

Um das Projekt zu realisieren, wurden Kompetenzen der additiven Fertigung und des Rapid Prototyping, der Medizintechnik und der Membran-/Filtertechnologie am Fraunhofer IGB gebündelt. 

 

Prävention

CoroVacc – Attenuierter SARS-CoV-2-Impfstoff

Entwicklung eines SARS-CoV-2-Impfstoffs auf Basis von attenuierten Träger-Viren.

Aufgrund einer modularen Herangehensweise durch die Fraunhofer-Institute IGB und IZI kann das Trägervirus mit SARS-CoV-2-spezifischen Antigenen kurzfristig entwickelt und hinsichtlich seiner Impfwirkung getestet werden.

 

 

Prävention

ViProTeFa – Entwicklung und Aufbau einer Virus-Protection-Test-Facility

Die Fraunhofer‑Institute IPA und IGB wollen eine weltweit einzigartige Testeinrichtung zur Qualifizierung von Schutzeinrichtungen und -maßnahmen aufbauen. Ziel ist die standardisierte Prüfung von Ausrüstung und Reinigungsvorgängen und die Erarbeitung eines weithin gültigen Standards bzw. einer Norm.

 

Prävention

AVATOR – Thermische Inaktivierung von Aerosol-getragenen Viren

Eine erhöhte Infektionsgefahr mit SARS‑CoV‑2 geht von Aerosolen aus. Hier setzt das Vorhaben Virus‑Grill an: Durch die Inaktivierung von Viren mittels Erhitzung der Luft soll die Infektionswahrscheinlichkeit über in der Raumluft schwebende Tröpfchen vermindert werden.

 

Prävention

Healthy Air Initiative – Beratungszentrum für gesunde Raumluft

Die »Healthy Air Initiative« zielt darauf ab, Unternehmen schnell und praxisnah wissenschaftlich fundierte Lösungen zur Reduzierung der Virusübertragung durch Aerosole aufzuzeigen. Hierfür werden praktikable Lüftungskonzepte zur Aerosolvermeidung entwickelt und Anlaufstellen zur Beratung geschaffen.

 

Prävention

Demo-medVer – Mobile Testeinheiten zum Einsatz in Schwellenländern

Aufgrund mangelnder hygienischer Voraussetzungen ist das Risiko der Ausbreitung von Covid‑19 in Entwicklungs- und Schwellenländern besonders hoch. Fraunhofer entwickelt autark arbeitende, mobile Plattformen zur Testung auf SARS‑CoV‑2 für den Einsatz in Slums, Flüchtlingslagern, Ballungs- und ländlichen Räumen.

 

Diagnostik

CoSE-Jump Start – Schnelltest für die Eigenanwendung

Corona-Schnelltest für die Eigenanwendung, basierend auf einem amplifikationsfreien Nachweis des SARS-CoV-2-Genoms.

Der SARS-CoV-2-Schnelltest ist so konzipiert, dass er eigenständig durch einen Laienanwender ohne Mitwirkung Dritter durchgeführt werden kann. Damit eignet er sich für Drittweltländer.

 

Diagnostik

Hochdurchsatz-Diagnostik von SARS‑CoV‑2 mit NGS

Derzeitige Testkapazitäten auf SARS‑CoV‑2 sind aufgrund der speziellen Geräte limitiert. Fraunhofer‑Forschende wollen nun ein nukleinsäurebasiertes Hochdurchsatzverfahren entwickeln, validieren und testen, um den Probendurchsatz im Vergleich zum Standardverfahren um mindestens eine Größenordnung zu erhöhen.

 

Wirkstoffentwicklung

ISE-CoV-2-Screen – Screening und Testung

Identifizierung therapeutischer Substanzen zur Behandlung von Covid-19-Patienten. IGB und Fraunhofer Project Center for Drug Discovery and Delivery @ Hebrew University werden über Computational Chemistry (Iterative Stochastic Elimination, ISE) bereits zugelassene Moleküle, die das Eindringen des Virus blockieren, identifizieren und mit einer Reihe von bereits etablierten und neuen Testsystemen evaluieren.

 

Wirkstoffentwicklung

C19-Lungen-Chip für nicht-klinische Tests

Arzneimittel-Repurposing mittels eines SARS-CoV-2-Infektionsmodells in einer immunkompetenten Lunge-on-a-Chip-Plattform. Das Modell wird eingesetzt, um die Wirksamkeit von am Fraunhofer IME identifizierten Wirkstoff-Kandidaten zu testen. Dazu bündeln IGB, IZI und IME Kompetenzen in der Durchführung pharmazeutischer Studien in humanen OoC und in der Etablierung von Infektionsmodellen.

 

Wirkstoffentwicklung

DRECOR – Drug-Delivery-Systeme für Wirkstoffkandidaten gegen SARS‑CoV‑2

Mit dem »Repurposing« bereits zugelassener Arzneimittel können relativ schnell Medikamente zur Behandlung von Covid‑19 bereitgestellt werden. Für eine verbesserte Wirksamkeit solcher Wirkstoffkandidaten entwickeln Fraunhofer IGB und FPC_DD@HUJI nanopartikuläre Systeme für eine gezielte Abgabe der Wirkstoffe am Ort der Infektion.

Gemeinsam gegen Corona – Unser Angebot für eine Zusammenarbeit

Prävention – Sterilisation, Desinfektion, Impfstoffentwicklung

Für die Prophylaxe sind Hygienevorkehrungen und Impfungen wesentliche Maßnahmen.

Das IGB entwickelt hierzu Verfahren zur Sterilisation und Entkeimung mit UV- und Plasmatechnologien sowie eine elektrochemische Zelle zur dezentralen, autarken Herstellung von H2O2 für die Desinfektion.

Für die Impfstoffentwicklung wurde ein physikalisches Inaktivierungsverfahren etabliert. Darüber hinaus steht eine Virus-Engineering-Plattform für Impfstoffe und Virus-like Particles als flexible Biocontainer für die Vakzinierung zur Verfügung.

Strategien gegen Biofilme beruhen auf antimikrobiellen Oberflächen und dem Einsatz von Bakteriophagen.

 

Diagnose – Auf Basis von Nukleinsäuren und Immunrezeptoren

Für die Diagnose von Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten bieten neue Sequenziertechnologien eine offene Plattform, mit der alle Erreger mit hoher Spezifität identifiziert werden können. Für Sepsiserreger wurde die Diagnose mittels Next-Generation-Sequencing in mehreren klinischen Studien validiert.

Für den Nachweis von Pathogenen am Beispiel des Herpes‑simplex‑Virus 1 wurde ein nukleinsäurebasierter Schnelltest (NALFA) entwickelt, der ohne Laborumgebung durchführbar ist.

Zudem stellen wir diagnostische DNA-Microarrays für den Erregernachweis im Kundenauftrag her.

Darüber hinaus können Erreger und deren Bestandteile mithilfe verschiedener TLR-Immunrezeptoren über zellbasierte Assays nachgewiesen und identifiziert werden. Ein Schnelltest, der auf dem Prinzip eines  Lateral Flow Immunassays basiert (Immustick), wird gegenwärtig mit Partnern entwickelt.

 

Wirkstoffentwicklung – Bakteriophagen und Testsysteme

Als Alternative zur Behandlung von Infektionserkrankungen mit Antibiotika arbeitet das IGB am Engineering und der Herstellung von Bakteriophagen.

Für die Suche nach (neuen) Wirkstoffen bietet das IGB zellbasierte Screeningsysteme und 3D immunkompetente Hautmodelle als Testsysteme für Wirkstoffe und die Untersuchung von Infektionsmechanismen an.

Mit der »Reporterhaut« steht ein patentiertes System für den schnellen optischen Nachweis von Immunreaktionen zur Verfügung.

Für die vorklinische Sicherheitsprüfung von Substanzen und Materialien unterhalten wir eine zertifizierte GLP-Prüfeinrichtung der Prüfkategorie 9: »Zellbasierte Testsysteme zur Bestimmung biologischer Parameter«.

 

Prävention

  • Sterilisationsverfahren
  • Dezentrale Produktion von H2O2
  • Impfstoffe: Inaktivierung, Engineering
  • Beschichtungen und Bakteriophagen gegen Biofilme
 

Diagnose

  • Next-Generation-Diagnostik
  • Schnelltest zum Pathogen-Nachweis
  • Microarray-Technologie
  • Erregernachweis mit Immunrezeptoren
 

Wirkstoffentwicklung

  • Bakteriophagen
  • Screeningsysteme
  • 3D immunkompetente Hautmodelle
  • »Reporterhaut« für Nachweis von Immunreaktionen