Klimaresiliente Städte durch blau-grüne Infrastrukturen

Anpassung an den Klimawandel

Hohe Flächenversiegelung im Zentrum von Piracicaba, Region Campinas.
Die Flächen vieler Städte sind versiegelt – bei Starkregen überfordert das abfließende Wasser die Kanalisation.

Bedingt durch den Klimawandel hat die Häufigkeit von Starkregenereignissen mit teilweise verheerenden Überschwemmungen ebenso wie die von Dürreperioden in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Höchste Zeit, die Städte auf die Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten.

 

Urbaner Wasserkreislauf nicht für Wetterextreme ausgelegt

Das Problem: Städtische Bereiche sind hochverdichtet, das Regenwasser kann auf Dächern, Straßen und Plätzen nicht versickern. Stattdessen fließt es größtenteils in die Kanalisation, die jedoch überwiegend auf Abwasser ausgelegt und bei Starkregen schnell überfordert ist. Das Ergebnis sind überschwemmte Straßen und überflutete Keller. Auch für Trockenperioden ist es ungünstig, das Regenwasser in die Kanalisation einzuleiten.

 

Blau-grüne Infrastrukturen dienen als Wasserspeicher und ermöglichen Verdunstung

Wird das Regenwasser jedoch dort gehalten, wo es fällt, kann es dort auch verdunsten. Machbar ist das etwa über Grünanlagen, begrünte Dächer oder Fassaden – man spricht dabei auch von grünen Infrastrukturen. Sinnvoll sind zudem blaue Infrastrukturen: Teiche, Seen und Kanäle. Außerdem Einstauflächen, also beispielsweise große Wiesen, auf denen sich das Wasser nach einem starken Regenguss sammeln kann. Und Zisternen: Große unterirdische Wasserspeicher, die das Regenwasser für Trockenperioden speichern – und in trockenen Gebieten vielfach als Trinkwasserspeicher dienen.

Unser Leistungsangebot

Das Fraunhofer IGB analysiert urbane Wasserinfrastrukturen, schlägt Maßnahmen vor und geht der Frage nach, wie blau‑grünen Technologien gleichermaßen robust und effizient gesteuert werden können.

Beispiel »Leipziger Blau-Grün«: Steuerung blau-grüner Infrastrukturen

Leipziger BlauGrün.
Leipziger BlauGrün.

Genau darum geht es im Projekt »Leipziger BlauGrün«. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhaben soll am Beispiel des Quartiers Leipzig 416 gezeigt werden, wie ein klimaangepasstes Wasser- und Energiemanagement für ein Stadtquartier gestaltet werden kann. Wichtig ist den Stadtplanern, Regen aus Starkregenereignissen nicht über die Kanalisation zu verlieren, sondern durch blau-grüne Infrastrukturen zu speichern. Zum Beispiel über Baum-Rigolen, die Regenwasser aufgrund eines speziellen Substrats zurückhalten und Kläranlagen bei Starkregen entlasten, oder über Gründächer für Carports.

Das Fraunhofer IGB geht im Projekt vor allem der Frage nach, wie die blau‑grünen Technologien gleichermaßen robust und effizient gesteuert werden können. Dafür werden Daten, die bereits erfasst werden können, wie Füllstände und Wasserqualitäten von im urbanen Raum gespeichertem Wasser mit extern verfügbaren Daten, wie z.B. Wettervorhersagen, zusammengeführt. Mittels einer intelligenten Steuerung kann die Systemarchitektur dann schnell die notwendigen Aktionen einleiten: Droht etwa Starkregen, werden Wasserspeicher schneller entleert, bei bevorstehender Trockenheit werden sie langsamer bzw. gar nicht entleert. Das Projekt kann damit Modelllösungen für andere städtebauliche Projekte liefern, die den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sein sollen.

Beispiel »Straße der Zukunft«: Optimierung des Wasserkreislaufs

Der Verschmutzungsgrad von Straßenabläufen kann stark variieren.
© Fraunhofer IGB
Der Verschmutzungsgrad von Straßenabläufen kann stark variieren.
Luftsensoren in Erlangen und Ludwigsburg überwachen die Luftqualität an Straßen – die Daten helfen bei der Modellierung von Straßenabläufen.
© Fraunhofer IGB
Luftsensoren in Erlangen und Ludwigsburg überwachen die Luftqualität an Straßen – die Daten helfen bei der Modellierung von Straßenabläufen.

Wie sich der urbane Wasserkreislauf optimieren und Regenwasser, das sich auf Straßen sammelt, nutzen lässt, untersucht ein Projektkonsortium, an dem auch das Fraunhofer IGB beteiligt ist,  im Projekt »Straße der Zukunft«. Eines der beiden zugehörigen Reallabore liegt in Ludwigsburg. Das Forscherteam hat unter der Straße eine Zisterne mit einem Fassungsvermögen von 50 Kubikmetern gebaut und in Betrieb genommen – in dieser sammelt sich das Regenwasser, das von Dächern und Autos tropft.

In einem weiteren Schritt untersuchen die Forscher nun die Wasserqualität: Reicht sie aus, um beispielsweise Grünanlagen zu bewässern oder Wasserbecken zu befüllen? Die Untersuchungsergebnisse sollen dabei helfen, die Prozesse besser zu verstehen und eine Skalierung auf größere Gebiete erlauben.

 

Modellierung für Nutzung alternativer Wasserressourcen

Um zu untersuchen, ob und unter welchen Umständen sich von Straßen abfließendes Regenwasser für Bewässerungszwecke geeignet sein kann, setzt das IGB Luftqualitätssensoren ein und analysiert mögliche Korrelationen mit Wasserqualitätsparametern von Straßenabläufen.

Die im Projekt gebaute Regenwasserzisterne im Ludwigsburger Dragonergässle wird fortlaufend auf ihren Füllstand digital überwacht.

Derzeit dient das von Dächern und einem gefilterten Straßenablauf gesammelte Regenwasser noch überwiegend zur Kanalspülung. Mithilfe von labortechnischen Untersuchungen der Regenwasser- und Straßenabwasserqualität sowie der Luftqualitätssensoren wird wissenschaftlich untersucht, inwiefern sich Vorhersagen zur Wasserqualität von Oberflächenabflüssen treffen lassen. Diese könnten dann einer breiteren Nutzung von gesammeltem Regenwasser, wie zum Beispiel der Bewässerung von Grünflächen, dienen und somit zu mehr Ressourceneffizienz im Straßenraum und im Quartier beitragen.

Beispiel »Morgenstadt Global City Insights«: Handlungsempfehlungen zur Klimawandel-Anpassung

Überschwemmungen in Piura, verursacht durch das Phänomen der El Niño-Southern Oscillation (ENSO) im Jahr 2017.
© Zapata, 2017
Überschwemmungen in Piura, verursacht durch das Phänomen der El Niño-Southern Oscillation (ENSO) im Jahr 2017.

Die Auswirkungen des Klimawandels nicht auf Europa begrenzt – ebenso wenig wie die Fraunhofer-Forschung, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Stark durch den Klimawandel betroffen sind beispielsweise die Städte Kochi in Indien und Saltillo in Mexiko.

Im Projekt »Morgenstadt Global Smart Cities Initiative« ersinnen Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IAO, des Fraunhofer IGB, des Fraunhofer ISI und des Fraunhofer IBP daher konkrete Handlungsmöglichkeiten. Finanziert wird das Projekt von der Internationalen Klimaschutzinitiative IKI des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit BMU. 

Das Projekt besteht aus drei wesentlichen Schritten: Im ersten werden die Zusammenhänge in der Stadt analysiert. Welche Probleme bestehen? Beim zweiten Schritt sprechen die Forscher von Co-Creation – sie tüfteln mit allen Partnern und Assoziierten gemeinsam die ersten Projektideen aus und priorisieren die Ideen. Und im dritten Schritt steht die Umsetzung an.

Kochi, Indien

Im 600 000 Einwohner großen Kochi, einem der wichtigsten Häfen an der Westküste Indiens, herrschen vor allem Wasserprobleme vor. Während der letzten Monsune gab es jeweils heftige Überflutungen, die viele Todesopfer forderten und das öffentliche Leben lahmlegten. Die restlichen Monate dagegen ware von Wassermangel geprägt.

Die Lösungen für beide Probleme greifen ineinander: Wenn ein Teil des Wassers während des Monsuns gespeichert wird, so steht dieses in Trockenzeiten zur Verfügung. Dachgärten scheinen für Kochi eine gute Lösung zu sein. Um die Wassermassen abführen zu können, bieten sich außerdem offene Kanäle an, die zu Zeiten der Kolonialisierung angelegt wurden und heute mit Müll verstopft sind. In einem kleinen Quartier sollen die Lösungsvorschläge umgsetzt werden – als Blaupause für andere Quartiere der Stadt.

Saltillo, Mexiko

Die wohlhabende Stadt ist von der Autoindustrie geprägt und, da in der Wüste von Coahuila gelegen, per se sehr trocken. Durch den Klimawandel jedoch wird die Wasserknappheit drastisch verstärkt, Wassereffizienz ist daher insbesondere bei der Industrie ein großes Thema. Welche Projekte konkret durchgeführt werden sollen, entscheiden die Forscher mit Partnern und Assoziierten in einem gemeinsamen Workshop im Sommer 2021. Nach der Umsetzung kann abgeschätz werden, ob der Ansatz die gewünschten Erfolge bringt und ihn nach einer Optimierung in anderen Städten replizieren oder hochskalieren.

 

Klimaresilienz im Fraunhofer-Magazin

Teile des Textes stammen aus dem Klimastress-Artikel im Fraunhofer-Magazin 1/2021.