Stand der Technik und Entwicklungsziel
Die Vereisung von Oberflächen stellt in vielen Anwendungsbereichen ein erhebliches Problem dar. So müssen bei Minusgraden und in Kombination mit Schneefall oder Niederschlag zugefrorene Tragflächen von Flugzeugen und die beweglichen Teile eines Hubschraubers vor dem Start mit Enteisungsmitteln aufwendig enteist werden. Der Grund: Eis auf den Flügeln stört die Aerodynamik – die für den Auftrieb notwendige laminare Strömung könnte abreißen. Darüber hinaus ist das Gewicht des Eises eine weitere Gefahr für den Flugbetrieb. Die standardmäßige Enteisung von Passagier- und Transportflugzeugen sowie Hubschraubern in den Wintermonaten ist jedoch nicht nur mit einem erheblichen Einsatz von umweltschädlichen Chemikalien verbunden, sondern verschlechtert zusätzlich den CO2‑Footprint von Flugreisen.
Während des Flugs erfolgt eine aktive Enteisung, indem die Tragflächen mit darin einlaminierten Widerstandsheizungen geheizt werden oder heiße Triebwerksabluft auf die Flügelvorderkanten umgeleitet wird (Bleed‑Air‑Technik). Kostspieliger und klimaschädlicher Effekt: Der Kraftstoffverbrauch kann um bis zu 30 Prozent steigen.
Die ideale Lösung für das Vereisungsproblem ist ein wasserabweisendes Material, worauf sich Eis nur langsam bildet oder die Eis‑Adhäsionskraft zwischen dem Eis und der Oberfläche gering ist.
Neue passive Anti‑Icing-Ausrüstung
Im Innovationsfeld Funktionale Oberflächen und Materialien wird im Rahmen des vom BMWi geförderten Projekts InTEnt‑H eine passive Anti‑Icing-Ausrüstung entwickelt. Durch eine einzigartige und ressourcenschonende Anti‑Icing‑Beschichtung auf selbstklebenden, transparenten sowie erosionsstabilen PU‑Folien können erhebliche Kosten eingespart und die Effizienz von aktiven Enteisungssystemen signifikant gesteigert werden.
Darüber hinaus sind wir nun in der Lage, in zwei getrennten Rolle‑zu‑Rolle‑Prozessen wasser- und eisabweisende Schichten mittels Niederdruckplasma (Druck p < 1 mbar) in Kombination mit einer Mikrostruktur zu erzeugen, auf der Wasser auch bei Temperaturen unter 0 °C längere Zeit flüssig bleibt und sich im Idealfall erst gar kein Eis bildet. Der Grund: Die strukturierten Schichten bieten dem gefrierenden Wasser wenig Kristallisationskeime auf der Oberfläche und es verbleibt in einem »stark unterkühlten« (super cooled) Zustand. Selbst wenn das Wasser gefriert, vermindert diese Art von Anti‑Icing‑Ausrüstung die Haftung von Eis gegenüber der unbeschichteten Oberfläche. Im Vergleich zu einer Referenzoberfläche konnten wir bei der entwickelten Folie eine Senkung des Gefrierpunkts um 6 Kelvin und eine Reduzierung der der Eisanhaftung um 90 Prozent erreichen.
Ausblick
Damit wir dem Umweltgedanken noch stärker Rechnung tragen können, forschen wir aktuell vertieft an silikonartigen Beschichtungen mit gleichbleibenden wasser- und eisabweisenden Eigenschaften. Zudem wollen wir das Materialportfolio der einsetzbaren Folien schrittweise erweitern. Durch die erhöhten Variationsmöglichkeiten der zwei getrennten Rolle‑zu‑Rolle‑Prozesse für Strukturierung und Beschichtung sind wird in der Lage, individuell größere Menge an Bahnwaren im Vergleich zu einem Batch‑Prozess herzustellen. Dank der Verfahrensoptimierung ist es nun möglich, die Anti‑Icing‑Ausrüstung schnell und gezielt auf spezifische Anforderungsprofile anzupassen.