Dezentrales Urbanes Infrastruktursystem DEUS 21

Moderne semidezentrale Membrankläranlage in Heidelberg-Neurott erfolgreich gestartet

Dezentrale Membrankläranlage Heidelberg-Neurott, FGH-IGB.
Dezentrale Membrankläranlage Heidelberg-Neurott, FGH-IGB.

In Heidelberg-Neurott, einer ländlichen Siedlung ohne Anschluss an die öffentliche Kanalisation, erprobt das Fraunhofer IGB sein Konzept zur dezentralen Abwasserreinigung nun erstmals unter realen Bedingungen. Gemeinsam mit industriellen Partnern haben wir eine moderne Membrankläranlage für ca. 100 Einwohnerwerte installiert (Bild 1), die im Dezember 2005 offiziell den Betrieb aufnahm. Im Verbundvorhaben soll nun die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Konzeptes demonstriert werden.

Verfahrenstechnisches Konzept

Verfahrensfließbild der Kläranlage Neurott.
Bild 2: Verfahrensfließbild der Kläranlage Neurott.

Das vom Fraunhofer IGB entwickelte Konzept zur semidezentralen Reinigung häuslicher Schmutzwässer aus Neurott in der Pilotphase ist in Bild 2 dargestellt. Das Rohabwasser wird aus einem Vorlagebehälter, der außerdem als hydraulischer Puffer dient, in die Vorklärung gepumpt. Die Funktion der Vorklärung wird nur benötigt, wenn die Vorfiltration außer Betrieb sein sollte. In der Vorfiltration wird das Rohabwasser aufgetrennt: In einen feststofffreien und kohlenstoffarmen Filtratwasserstrom, der zur Weiterbehandlung in die biologische Reinigungsstufe (Denitrifikation und Membranbioreaktor) geleitet wird, und einen feststoffreichen Konzentratwasserstrom, der als Primärschlamm in die Faulung der zentralen Kläranlage Heidelberg geführt wird. Bei Kohlenstoffmangel für die biologische Stickstoffentfernung kann ein Teilstrom des Rohabwassers direkt aus der Vorklärung in die Denitrifikation geleitet werden.

Die biologische Stickstoffentfernung erfolgt durch eine vorgeschaltete Denitrifikation, bei der Mikroorganismen Nitrat in elementaren Stickstoff umwandeln. Als nächste Behandlungsstufe folgt die Nitrifikation im aerob betriebenen Bioreaktor, dem zur Abtrennung des belebten Schlammes eine Membranfiltrationsstufe nachgeschaltet wird (Membranbioreaktor mit Rotationsscheibenfilter). Das gereinigte Abwasser wird aus einem Sammelschacht periodisch in einen Bach gepumpt. Der Überschussschlamm wird in einem Behälter zwischengespeichert und in der modernen Hochlastfaulung der zentralen Kläranlage Heidelberg behandelt.

Großtechnischer Einsatz des Rotationsscheibenfilters

Dezentrale Membrankläranlage Heidelberg-Neurott, FGH-IGB.
Dezentrale Membrankläranlage Heidelberg-Neurott, FGH-IGB.

Für die Vorfiltration und die Membranbelebung wird der am Fraunhofer IGB entwickelte Rotationsscheibenfilter eingesetzt. Der Rotationsscheibenfilter ist ein dynamischer Membranfilter mit hohen Filtratflüssen, langen Standzeiten und niedrigem Energiebedarf. In Heidelberg-Neurott kommt der von der Fa. Gebrüder Bellmer, Niefern-Öschelbronn, in Lizenz gefertigte Rotationsscheibenfilter erstmalig großtechnisch zum Einsatz (Bild 3). Die Filterstufen zur Vorfiltration und im Membranbioreaktor bestehen aus je 3 Filtern à 7,5 m² mit keramischen Membranscheiben der Kerafol GmbH.

Ausblick: Beste Abwasserqualität

Die Überwachungswerte für die Abwasserreinigung (z. B. Chemischer Sauerstoffbedarf CSB, Stickstoff, Phosphor), die das Umweltamt für die Pilotanlage vorgibt, sind strenger als die für Großkläranlagen. Der Grenzwert für beispielsweise den CSB bei herkömmlichen kleinen Kläranlagen ist 150 mg/l. Während der CSB von Kläranlagen der Größenklasse 5 (< 100 000 Einwohnerwerte) 75 mg/l nicht überschreiten darf, muss der CSB der neuen Membrankläranlage nach Abschluss der Pilotphase unter 60 mg/l bleiben. Bisher erreichte die Membrankläranlage typischerweise einen CSB von 30 mg/l. Durch den Einsatz der Membranfilter ist das Abwasser zudem frei von Fäkalkeimen, so dass es die EU-Richtlinie für Badegewässer erfüllt.

Förderung

Wir danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Förderung des Projekts »Dezentrale Urbane Infrastruktursysteme DEUS 21«, Förderkennzeichen 02WD0850.

Bundesministerium für Bildung und Forschung.