Interview mit dem technischen Leiter des AZV Heidelberg über die Zusammenarbeit

Aus der Praxis: IGB-Konzept zur Klärschlammentsorgung in der Großdimension realisiert

Das am Fraunhofer IGB entwickelte Hochlastverfahren für die Klärschlammentsorgung wurde 2001 in die bestehende Entsorgungslinie des kommunalen Klärwerks Heidelberg, bestehend aus drei eiförmigen Faultürmen, integriert.

Die Bilanz: Das Klärwerk Heidelberg setzt heute auf wesentlich kleinerem Raum sehr viel schneller und effektiver Klärschlamm zu Biogas um. Die Heidelberger können so Kosten sparen, Energie gewinnen und müssen gleichzeitig weniger ausgefaulten Schlamm entsorgen.

Zum 25-jährigen Jubiläum des Abwasserzweckverbandes (AZV) Heidelberg am 24.September 2002 lud das Klärwerk die interessierte Öffentlichkeit ein, die neue vorgeschaltete Hochlastfaulung zu besichtigen.

Anlässlich dieses Jubiläums führte das Fraunhofer IGB ein Gespräch mit dem Technischen Leiter des AZV Heidelberg, Herrn Dipl.-Ing. Jürgen Weber. Jürgen Weber studierte in Karlsruhe Ingenieurwissenschaften mit Schwerpunkt Siedlungswasserwirtschaft.

IGB: Herr Weber, seit April 2001 besteht zwischen dem Abwasserzweckverband Heidelberg und dem Fraunhofer IGB eine Kooperation. Was war die Ausgangslage und welches Problem stand an?

Weber: Die Ausgangslage war ganz einfach. Wir haben eine Kläranlage, die von der Wasserseite her 1982 gebaut worden war und nach dem neuesten Stand der Technik funktioniert, also auch die Nährstoffe Phosphor und Stickstoff biologisch eliminiert. Auf der Schlammseite hatten und haben wir drei alte Faultürme mit je zweieinhalbtausend Kubikmeter Inhalt, die noch von der alten Kläranlage waren, die in den 60er Jahren gebaut wurde. Diese Faultürme waren nicht mehr in der Lage, den anfallenden Klärschlamm zu verarbeiten, das heißt zu stabilisieren und zu vergasen.

IGB: In solch einer Situation beauftragt man dann normalerweise ein Ingenieurbüro, eine Lösung zu finden.

Weber: Richtig. Wir mussten reagieren, um der Sache Herr zu werden und hatten dann auch einen Ingenieurwettbewerb ausgeschrieben mit der Maßgabe, ein Konzept zu entwickeln, wie man die Klärschlammbehandlung ausbaut auf 360.000 EW, unter den neuesten Aspekten also sprich Entwässerung, Faulung, energetischer Nutzung von Faulgas usw. An der Ausschreibung haben drei Büros teilgenommen. Da vorgeschlagene Konzept sah ein Zweistufenprojekt vor, zunächst einmal war die Entwässerung neu zu konzipieren, und in einem zweiten Schritt danach sollte dann die Schlammfaulung optimiert werden. Weiterhin sah das Konzept des Ingenieurbüros sah vor, die bestehenden Faultürme der alten Art einfach durch einen vierten Faulturm zu erweitern und damit sollte dann die Problematik der Faulung behoben sein. Wir waren uns nicht sicher, – und ich war überzeugt, dass es nicht unbedingt die beste Lösung ist, noch einen großen Betonfaulturm dazu zu stellen. Wir haben dann überlegt, wie wir das testen können. Und haben dann einfach einen Faulturm genau mit der Belastung betrieben, die er bekommen hätte, wenn die Schlammfaulung saniert worden wäre nach den Vorgaben des Ingenieurbüros. Wir haben die Belastung reduziert und den Faulturm ein halbes Jahr auf diese Weise betrieben. Die Reduzierung der Belastung hat den Faulturm aber überhaupt nicht tangiert, er hat die gleichen Probleme gehabt. Er hat sehr stark geschäumt, ist übergekocht und hatte einen wirklich unzureichenden Abbaugrad.

IGB: Und dann...?

Weber: ....dann habe ich durch Zufall eine Einladung vom Fraunhofer-Institut gelesen. Es handelte sich um das jährliche Seminar, das das Institut zur kommunalen Abwassertechnik durchführt. Ich bin hingefahren und habe mir die Philosophie des Fraunhofer-Instituts angehört. Damals gab es gerade ein Forschungsvorhaben »Energie aus Klärschlamm«, das vom Fraunhofer-Institut durchgeführt und vom Umweltministerium Baden-Württemberg gefördert wurde und dem haben wir uns einfach angeschlossen. Wir haben unseren Schlamm ins Fraunhofer-Institut gefahren, und dort wurde er im Technikum, in der halbtechnischen Anlage, auf Abbaubarkeit und auf Umsetzbarkeit untersucht. Das Ergebnis war, dass sich in einer Hochlastfaulung ein sehr hoher Abbaugrad erzielen lässt. Das war für uns letztendlich die Entscheidung, mit dem Fraunhofer-Institut zu kooperieren und so wurde das Projekt, zugeschnitten auf Heidelberger Verhältnisse, gemeinsam durchdacht, gemeinsam aufgebaut und letztendlich dann bis im Jahr 2002 durchgeführt und abgeschlossen.

IGB: Welche Erfahrungen haben Sie seitdem mit diesem Verfahren gemacht?

Weber: Man muss dazu sagen, es ist ein ganz neues Verfahren und da ist man zunächst ein bißchen misstrauisch. So ging es mir persönlich auch. Aber ich habe keinen anderen Weg gesehen. Und die Bedenken, die wir hatten, oder die ich hatte, die wurden gänzlich ausgeräumt. Die Anlage, seit sie in Betrieb ist, läuft prozessstabil, hat einen sehr hohen Abbaugrad, einen wirklich sehr hohen Abbaugrad. Sie schäumt nicht – also all das, was wir uns erhofft haben, was auch vom Fraunhofer-Institut und auch von der Lieferfirma uns garantiert wurde, ist eingehalten worden.

IGB: Welche Perspektiven, schätzen Sie, hat diese Technologie?

Weber: Diese Technologie ist mit Sicherheit auf jeder Kläranlage anwendbar, die Frage ist, was ist schon vorhanden und wie kann ich sie integrieren. Wir in Heidelberg haben das zusammen mit Professor Trösch so konzipiert, dass wir die Anlage auf einen bestimmten Wert ausgelegt haben, man sagt bei den Fachleuten auf den 85%-Wert, dass die Anlage immer im optimalen Bereich mit 10-12 Kilogramm Organik pro Kubikmeter / Tag betrieben werden kann und wenn man mal Spitzen kommen, – diese Spitzen werden im ganz normalen Verfahren automatisch um die Hochlastfaulung herumgeleitet und die nachgeschaltete Faulung eingeleitet. Mit diesem Konzept sind wir bisher sehr gut gefahren, und ich denke, dass sich diese Lösungsmöglichkeit auch für Kläranlagen anbietet, die die gleiche Poblematik haben wie wir: nicht funktionierende Faultürme, mit ungünstiger Geometrie, und hier sehe ich auch einen Anwendungspunkt durch die Vorschaltung der Hochlastfaulung hier einmal eine bessere Abbaurate zu erzielen, und auch die Prozessstabilität einer nachgeschalteten Faulung sicherzustellen.
Für Kläranlagen, die noch keine Faulung haben und in einem Bereich sind von 10, 15, 20.000 Einwohnerwerten und eine Nassschlammentsorgung oder Stabilisierungsanlagen haben, würde ich eine zweistufige Hochlastfaulung bevorzugen, so wie sie in Leonberg gebaut ist. Für sie kann es sich betriebswirtschaftlich durchaus rechnen, eine Hochlastfaulung aufzustellen. Man muss die Schlammreduzierung, die Mengenreduzierung, und die energetische Verwertung des Klärgases betriebskostenmäßig einem jetzigen Betrieb gegenüber stellen. Also bei Kläranlagen, die noch gar keine Faulung haben und das sind die kleineren Klärwerke, da sehe ich durchaus eine interessante und kostengünstige Anwendung auch hinsichtlich der neuen Anforderungen, die auf die Klärschlammentsorgung zukommen. Ich denke, man muss auch im Kopf haben, dass sich hinsichtlich der Klärschlammentsorgung einiges ändern wird.

IGB: Gab es bereits ein Echo in der Fachwelt auf die neue Technologie, wie sie hier in Heidelberg eingesetzt wird?

Weber: Ja, also die Anlage läuft und wir haben schon sehr viele Besuche gehabt. Wir haben die ATV hier gehabt, die Kläranlagennachbarschaft, die sich die Kläranlage betrachtet haben. Und wie ich schon gesagt habe, es ist eine etwas andere Philosophie, die das Fraunhofer-Institut verfolgt. Zunächst waren die Kollegen und die Fachfirmen und die Fachbüros, die da waren, ein bisschen skeptisch. Als sie dann die Anlage gesehen haben, wie sie funktioniert, wie sie aufgebaut ist, wie sie konzipiert ist, und als sie die Betriebswerte gesehen haben und auch mit unserem Betriebspersonal gesprochen haben, hat sich diese Skepsis doch bei den allermeisten dann gelegt.

IGB: Und als Fraunhofer IGB hoffen wir natürlich, dass sich noch mehr Skeptiker von unserer Technologie hier in Heidelberg überzeugen lassen. Herr Weber, wird danken Ihnen für dieses Gespräch.