Fahrzeugflotte in Brasilien fährt mit Biomethan der Kläranlage

IGB-Wissenschaftlerin Barbara Waelkens beim ersten Tankvorgang mit dem gewonnenen Biomethan.
© Fraunhofer IGB
IGB-Wissenschaftlerin Barbara Waelkens beim ersten Tankvorgang mit dem gewonnenen Biomethan.
Anlage im brasilianischen Franca, Sicht von einem der Faultürme aus.
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Anlage im brasilianischen Franca, Sicht von einem der Faultürme aus.

Großes Potenzial für mobile Biogasnutzung in Brasilien

Die Situation der Abwasserreinigung in Brasilien unterscheidet sich deutlich von der in Deutschland. Zwar ist in den industrialisierten Gebieten wie dem Staat São Paulo (SP) die Mehrzahl der Bevölkerung an ein Abwasserkanalsystem angeschlossen, doch gelangt heute noch ein großer Teil der Abwässer ungereinigt in die Vorfluter. Durch Wachstumsbeschleunigungsgesetze des brasilianischen Staates soll die Klärtechnik in Zukunft verstärkt ausgebaut werden. Zurzeit erfährt das Biogas, welches in brasilianischen Kläranlagen gebildet wird, normalerweise keine systematische Nutzung, sondern wird in offenen Fackeln verbrannt.

Gemäß der IANGV (International Association for Natural Gas Vehicles) besitzt Brasilien weltweit eine der größten Flotten an Erdgasfahrzeugen ebenso wie ein sehr großes Erdgastankstellennetz. 2009 lag es mit 1,6 Mio Fahrzeugen auf dem 4. Platz hinter Pakistan, Argentinien und Iran. Bei der Anzahl von Erdgastankstellen belegt es mit 1704 bereits den dritten Platz. Bereits 2003 wurden auf dem brasilianischen Markt sogenannte Flex-Motoren eingeführt, die aktuell 87 Prozent der Neuzulassungen ausmachen und mit Benzin, Methanol, Ethanol sowie beliebigen Mischungen dieser Kraftstoffe betrieben werden können. Durch Anpassung des Tanks dieser Fahrzeuge kann ebenfalls Erdgas als Kraftstoff verwendet werden. Auf dem brasilianischen Markt gibt es bereits werkseitig umgerüstete, als Tetrafuel bezeichnete Fahrzeuge, die mit reinem Benzin, brasilianischem Benzin (mit 20 Prozent Ethanol), mit Ethanol und komprimiertem Erdgas fahren können.

Faulgase der Kläranlage Franca nutzen

Im Rahmen des internationalen Teils der Klimaschutzinitiative unterstützt das BMU ausgewählte Projekte in Partnerländern, die zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen, so auch das Projekt des Fraunhofer IGB mit dem brasilianischen Wasserversorger und Abwasserentsorger SABESP. Das Ziel des Projekts besteht darin, auf der Kläranlage der Stadt Franca, SP, die von SABESP betrieben wird, die Faulgase zu sammeln, auf die Qualität von Erdgas (Biomethan) aufzureinigen und einer Fahrzeugflotte als Kraftstoff zur Verfügung zu stellen. Biomethan aus Faulgas wird heute als einer der umweltfreundlichsten Kraftstoffe betrachtet. Von besonderem Vorteil ist, dass es eine ausgeglichene CO2-Bilanz aufweist – bei seiner Verbrennung entsteht praktisch kein neues Treibhausgas.

 

Faulung der Kläranlage Franca.
Faulung der Kläranlage Franca.
Offene Fackeln auf der Kläranlage Franca.
Offene Fackeln auf der Kläranlage Franca.
Schema der Anlage auf der Kläranlage Franca.
Schema der Anlage auf der Kläranlage Franca.

Vorgehensweise

Zur Verringerung bürokratischer Hürden bei der Projektdurchführung wurde das Projekt im Rahmen des deutsch-brasilianischen Rahmenabkommens über Technische Zusammenarbeit registriert. Die Projektdurchführung gliedert sich in zahlreiche Unterpunkte wie Prozessauswahl, Bestimmung der benötigten Auslegungsdaten, Festlegung des genauen Standorts, Basic und Detail Engineering, Aufbau und Inbetriebnahme der Anlage, Umrüstung der Fahrzeuge und Ausbildung des Personals

Ergebnisse: Erfolgreiche Faulgasaufbereitung

Die Kläranlage der Stadt Franca wird nach dem Belebtschlammverfahren betrieben und arbeitet mit zwei Schlammfaulungen, die im Mittel etwa 2700 m3 / d an Faulgas produzieren, das in zwei offenen Fackeln verbrannt wird.

Laut unseren Analysen liegt der Methangehalt etwas über 60 Prozent. Bei einem Methangehalt von 60 Prozent und einem Heizwert von Methan von 10 kWh / m3 kann man damit etwa 1600 l / d an Benzin ersetzen. SABESP wird eine Flotte von etwa 49 Fahrzeugen umrüsten, die mit dem Biomethan betrieben werden. Weitere Fahrzeuge werden von der Stadt Franca erwartet.

Da in der Faulung auch die eisenhaltigen Schlämme des Wasserwerks verwertet werden, ist die Konzentration von H2S sehr niedrig. Dies erleichtert die Reinigung der Faulgase. Die von uns konzipierte und ausgelegte Anlage zur Reinigung der Faulgase und Verwertung des Biomethans wird derzeit in die bestehende Kläranlage integriert. Dabei wird diese um einen Doppelmembrangasspeicher, eine Druckwechseladsorption in einem Container zur Gasreinigung und Erzeugung des Biomethans sowie eine Biomethantankstelle mit Hochdruckspeicher zur Betankung der umgerüsteten Fahrzeuge ergänzt. Im Sommer 2012 wird die Anlage in Betrieb gehen und dann von der Belegschaft der Kläranlage betrieben. Die Grafik links gibt einen Eindruck davon, wie die Anlage aussehen wird.

Ausblick

Sowohl die Reduzierung der Methanemissionen auf der Kläranlage als auch der Ersatz von fossilen Kraftstoffen durch Biomethan werden die Treibhausgasemissionen verringern. SABESP wird bei erfolgreichem Projektverlauf in Zukunft weitere Kläranlagen mit vergleichbarer Technik ausstatten. Zudem erwarten wir, dass dieses Projekt einen Leuchtturmeffekt in Brasilien haben wird, so dass auch andere Betreiber von Kläranlagen oder Deponien und weitere Kommunen einen ähnlichen nachhaltigen Weg zur Nutzung von Biomethan als Kraftstoff einschlagen werden.

Projektinformationen

Projekttitel

Nutzung der Faulgase einer kommunalen Kläranlage für Transportzwecke – Beneficiamento de Biogás gerado em ETE para Utilização como Combustível Veicular

 

Projektlaufzeit

Februar 2009 – Dezember 2017

 

Kooperationspartner

  • Companhia de Saneamento Básico do Estado de São Paulo, SABESP, São Paulo und Franca, Brasilien
  • Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart (Koordinator)

Förderung

Wir danken dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) für die Förderung des Projekts »Nutzung der Faulgase einer kommunalen Kläranlage für Transportzwecke«, Förderkennzeichen IKI 09_I_029.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.