Fraunhofer-Preis für Thomas Graeve vom IGB: Hautmodell ersetzt Tierversuche

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Einen der drei mit 10 000 Euro dotierten Fraunhofer-Preise erhält Dr. Thomas Graeve vom IGB für die Entwicklung eines dreidimensionalen Hautmodells.

Dr. Thomas Graeve vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB erhielt für die Entwicklung eines dreidimensionalen Hautmodells einen der drei in diesem Jahr verliehenen Fraunhofer-Preise.

Bevor neue Cremes, Lotionen oder Lippenstifte auf den Markt kommen, müssen sie auf ihre Hautverträglichkeit untersucht werden. In Deutschland sind Tierversuche in der Kosmetikindustrie jedoch nicht mehr erlaubt. Die Alternative: ein menschliches Hautmodell, mit dem Kosmetika, pharmazeutische Tinkturen oder Chemikalien schnell, kostengünstig und zuverlässig auf ihre Wirkung untersucht werden können. Für diese Entwicklung erhielt Thomas Graeve vom Fraun-hofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart den mit 10 000 Euro dotierten Joseph-von-Fraunhofer-Preis.

Farbstoffe in T-Shirts, Tenside in Waschmitteln, Duftstoffe in Cremes - täglich kommt unsere Haut mit unzähligen chemischen Substanzen in Kontakt. Einige Stoffe können beim Menschen Allergien oder Ausschläge auslösen. Ob bestimmte Substanzen für die menschliche Haut unschädlich sind, wurde früher in Tierversuchen getestet. Doch die sind mittlerweile in Deutschland für den Test von Kosmetika verboten. Statt dessen werden mehr und mehr Gewebemodelle eingesetzt, um die Wirkung von Chemikalien, pharmazeutischen Wirkstoffen oder Cremes zu untersuchen. Viele Testmethoden haben jedoch einen Nachteil: Die Hautmodelle bestehen nur aus einem einzigen Zelltyp - zum Beispiel der Oberhaupt (Epidermis). Wechselwirkungen mit der Unterhaut (Dermis) können an diesen Kulturen nicht untersucht werden. Anders bei dem von Dr. Thomas Graeve entwickelten dreidimensionalen Hautmodell: Es besteht aus dermalen Fibroblasten (Unterhaut) und einer mehrschichtigen Oberhaut mit Verhornungsschicht. »Dieses Modell kommt in seiner Struktur der menschlichen Haut sehr nahe«, erläutert der Wissenschaftler. »Das Äquivalent bildet sogar wie natürliche Haut eine Grenzschicht zwischen Ober- und Unterhaut, die Basallamina, aus.«

Um das dreidimensionale Modell aufzubauen, nutzen die Forscher menschliche Haut, die zum Beispiel bei Operationen anfällt. Aus diesem Biopsiegewebe isolieren sie zwei unterschiedliche Zelltypen: Die dermalen Fibroblasten (Unterhaut) und die Keratinozyten, aus denen sich die oberste Hautschicht bildet. Zunächst bettet man die Fibroblasten in eine Proteinlösung ein. Darauf werden die Keratinozyten ausgesät. Während der dreiwöchigen Kulturzeit bildet sich dann aus den Keratinozyten die Oberhaut. Das etwa fingernagelgroße Hautmodell lässt sich vielfältig einsetzen. Mit dem Hautäquivalent kann untersucht werden, ob bestimmte Körperlotionen Hautirritationen hervorrufen oder einzelne Stoffe Allergien auslösen. Auch ist es für pharmakologische, immunologische, histologische und molekularbiologische Untersuchungen geeignet. »Mit dem Hautmodell können Substanzen schneller, kostengünstiger und zuverlässiger als im Tierversuch getestet werden«, hebt Dr. Graeve die Vorzüge des Systems hervor. Das Testsystem wurde im Auftrag der Firma CellSystem entwickelt, die es mittlerweile weltweit vertreibt. Das große Potenzial des Hautmodells haben aber auch zwei ehemalige Mitarbeiterinnen des IGB erkannt. Sie gründeten das Unternehmen In Vitro Biotec, in dem mit Hilfe von Gewebekulturen aus menschlichen Zellen nicht nur Verträglichkeit von Chemikalien, sondern auch die spezifische Wirkung von Krebsmedikamenten getestet wird.

Der Fraunhofer-Preis, den die Fraunhofer-Gesellschaft seit 1978 für herausragende wissenschaftliche Leistungen ihrer Mitarbeiter zur Lösung anwendungsnaher Probleme verleiht, wurde am 25. Oktober von dem Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Warnecke in Berlin an Dr. Graeve überreicht. Für IGB-Institutsleiter Professor Herwig Brunner war die Preisverleihung ein besonderer Grund zur Freude. »Die Auszeichnung belegt, dass wir auf dem richtigen Weg sind«, stellte er fest. »Die ersten Gehversuche haben wir bereits zu einer Zeit gemacht, als die Möglichkeiten des Tissue Engineering nur in kleinen Kreisen diskutiert wurde. Unsere Strategie war daher nicht ohne Risiko, aber unsere Rechnung ist aufgegangen.