Mikroalgen zur Massenproduktion
Mit Algen lassen sich – vollkommen kohlendioxidneutral – wertvolle Substanzen für Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie herstellen wie Vitamine und Farbstoffe, Aminosäuren oder Antibiotika. Fraunhofer-Forscher haben nun einen Photobioreaktor so optimiert, dass sich das Verfahren auch wirtschaftlich lohnt.


Mikroalgen sind genügsam. Zum Wachsen brauchen sie nur Licht, Wasser und Kohlendioxid, etwas Phosphat und Nitrat. Das Wachstum dieser einzelligen Organismen beruht, wie das der grünen Pflanzen, auf der Photosynthese. Seit Jahrmillionen wird hier die Energie des Sonnenlichts in chemische Energie umgewandelt. In einer zweiten, lichtunabhängigen Phase wird Kohlendioxid aus der Luft gebunden und in Zuckermoleküle eingebaut. Angesichts steigender Kohlendioxidemissionen kann dieser positive Effekt auf die Umwelt neue Bedeutung erlangen. Denn Mikroalgen produzieren auch eine Vielzahl hochwertiger Substanzen wie Vitamine und Farbpigmente, essentielle Fettsäuren und Aminosäuren, sogar Antibiotika und pharmazeutisch wirksame Stoffe. Diese Substanzen eignen sich als hochwertige Nahrungsmittel oder Lebensmittelzusatzstoffe und könnten synthetische Produkte in Kosmetik- und Chemieindustrie ersetzen. Da die kleinen Algen sehr schnell wachsen, sind sie im Vergleich zu ihren Verwandten auf dem Land um einiges produktiver: Im Jahres-durchschnitt lassen sich mit Mikroalgen in unseren Breiten etwa 120 t Biomasse pro Hektar erzielen, stündliche Spitzenwerte liegen sogar bei umgerechnet bis zu 550 t pro Hektar und Jahr.
Dennoch wird das Potential der biotechnischen Algenproduktion bisher kaum genutzt. Das liegt zum einen daran, dass die zahlreichen Mikroalgenarten bisher nur wenig erforscht sind. Wesentlicher aber ist, dass die Produktion noch nicht wirtschaftlich erfolgt. Denn bislang gibt es keinen Bioreaktor, in dem Algen in einer genügend hohen Konzentration und Produktivität autotroph - mit Licht als einziger Energiequelle - gezüchtet werden können, so dass sich die Aufarbeitung der Inhaltsstoffe auch lohnen würde. Das wollen Forscher am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik nun ändern. Sie haben einen speziellen Photobioreaktor entwickelt, in dem die Algen optimal und mit hohen Zelldichten wachsen. »Damit jede einzelne Algenzelle für kurze Zeit an die Reaktoroberfläche und so in den Genuss von Licht kommt, besteht der Reaktor aus flachen Blasensäulen, die von Luftblasen durchströmt werden«, erläutert Abteilungsleiter Prof. Dr. Walter Trösch. Bei ausreichender Lichtintensität genügen den Algen selbst Sekundenbruchteile Licht, damit sie die dabei gesammelte Lichtenergie in der anschließenden Dunkelreaktion zur Kohlendioxidfixierung nutzen können. Zu viel Licht ist sogar schädlich für die Algenproduktion. »Der große Vorteil des Reaktors ist«, so IGB-Wissenschaftler Trösch, »dass auch Algenkulturen hoher Zelldichte ausreichend mit Licht versorgt werden können«. Schließlich ist der Reaktor auch für mitteleuropäische Breitengrade geeignet, da durch die Algenbewegung auch schwächeres Licht optimal ausgenutzt wird.
Der neue Photobioreaktor ist bereits zum Patent angemeldet. Laufende Arbeiten konzentrieren sich darauf, die Reaktorgeometrie zu verbessern, um noch höhere Biomasseausbeuten bei großer Algendichte zu erzielen. Damit zukünftig auch das ganze Spektrum des Lichts genutzt werden kann, arbeitet das IGB darüber hinaus zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE an einer Verbesserung des Lichteintrags und der Lichtausnutzung. Die Vision einer umweltgerechten wie wirtschaftlichen meerwassergestützten Großproduktion mit Mikroalgen rückte damit schon bald näher. Das Projekt eignet sich besonders für Entwicklungs- und Schwellenländer, die wenig Rohstoffe dafür aber um so mehr Sonneneinstrahlung haben.
Der Reaktor wird auf der diesjährigen Achema, am Fraunhofer-Stand Biosystems in Halle 7, Stand F11-G15, präsentiert.