Der Pathogenität von Hefen auf der Spur

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Vor einem knappen Jahr wurden am IGB zwei durch BMBF und Land Baden-Württemberg geförderte Nachwuchsforschergruppen eingerichtet. Eine Gruppe entwickelt automatisierte Protein-Screeningsysteme, die andere biomimetische Grenzflächen für Anwendungen in der Biotechnologie. Die Forscher haben nun erste Ergebnisse vorzuweisen: Sie haben bei der Hefe Candida Proteine identifiziert, die für die Pathogenität dieses Hefepilzes verantwortlich sind.

Franz-Josef Johannes (ganz rechts) und Steffen Rupp (ganz links) entwickeln mit ihrem Team automatisierte Protein-Screeningsysteme.
Unter den 3 000 durch die 2D-Gelelektrophorese auftrennbaren Proteinen fanden die Forscher einige, die für die Pathogenität der Zellen verantwortlich sind. Oben: nicht-pathogene Candida-Zellen mit Proteinmuster, unten: pathogene Zellen mit Proteinmuster.
Biomimetische Grenzflächen sind zentrales Thema der Nachwuchsforschergruppe um Günter Tovar (ganz rechts).

Candida albicans ist der häufigste humanpathogene Pilz. Bei gesunden Menschen kann dieser Hefepilz Haut und Schleimhäute befallen – eine eher unangenehme als gefährliche Infektion. Riskant jedoch wird die Candida-Infektion bei Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist, beispielsweise nach Organtransplantationen oder der Chemotherapie bei Krebs. Bislang gibt es nur wenige Präparate zur Therapie der Infektion, die zudem erhebliche Nebenwirkungen nach sich ziehen können. Forscher der vor einem Jahr am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart eingerichteten Nachwuchsforschergruppe »Automatisierte Protein-Screeningsysteme« haben nun mit Hilfe neuester Methoden Proteine entdeckt, die für die Pathogenität des Pilzes verantwortlich sind und so als spezifische Angriffspunkte für neue Pharmaka genutzt werden können.

Die Forscher verwenden für ihre Untersuchungen neben pathogenen Candida-Zellen auch solche, die durch eine Mutation ihre Pathogenität verloren haben. »Wir züchten beide Varianten unter identischen Bedingungen und vergleichen dann das Proteom – die Gesamtheit aller exprimierten Proteine – der herkömmlichen virulenten mit der veränderten harmlosen Variante«, erklärt Projektleiter Dr. Steffen Rupp. Hierzu optimierten die Wissenschaftler eine Methode, mit der Proteine nach Ladung und Größe – sehr viel differenzierter als mit herkömmlichen Methoden – analysiert werden können, die differentielle zweidimensionale Gelelektrophorese. Unter den über 3 000 Proteinen, die die Wissenschaftler auswerteten, waren tatsächlich etwa zwanzig, die nur bei der herkömmlichen Variante zu finden waren oder hier gerade nicht. Vier der Proteine wurden bereits isoliert und näher untersucht. Ein Ansporn für die Forscher ist, daß genau diese Proteine in der verwandten, nicht pathogenen Bäckerhefe nicht existieren und sie somit auf der richtigen Spur sind. Mit Hilfe einer zusätzlichen Methode, einer optimierten DNA-Mikrochip-Technologie, sollen weitere Proteine des mittlerweile vollständig entschlüsselten Hefegenoms als potentielle Angriffspunkte für neue Pharmaka identifiziert werden. Ein Patent ist bereits angemeldet.

Two-Hybrid-Screening für Schlüsselenzym

Weiterer Schwerpunkt der Arbeitsgruppe ist die Weiterentwicklung des Two-Hybrid-Systems, mit dem ebenfalls Proteine als Angriffspunkte für pharmazeutische Wirkstoffe identifiziert werden können. Als Leiter für dieses Projekt konnte PD Dr. Franz-Josef Johannes gewonnen werden, der sich mit der biologischen Bedeutung einer neu entdeckten Proteinkinase PKCµ beschäftigte, die eine Schlüsselrolle bei bestimmten intrazellulären Signalübertragungswegen spielt. »Da PKCµ in den vom Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) induzierten programmierten Zelltod (Apoptose) eingreift, könnte eine medikamentöse Hemmung von PKCµ einen neuen Ansatz für die Tumortherapie darstellen«, sagt Johannes. Darüber hinaus scheint PKCµ an weiteren zellulären Funktionen wie bespielsweise an der Generierung von Immunantworten und an inflammatorischen Prozessen beteiligt zu sein.

Sind die Methoden anhand der Modellsubstrate erst etabliert, erlauben Miniaturisierung und robotergestützte Automatisierung ein Screening bei hohem Durchsatz. Schließlich können beide Systeme auch auf andere pharmarelevante Substanzen übertragen werden.

Biomimetische Grenzflächen für die Biotechnologie

Die zweite IGB-Nachwuchsforschergruppe beschäftigt sich mit dem Aufbau biomimetischer Grenzflächen. Inspiriert durch die Bauprinzipien der Natur entwickeln die Wissenschaftler Funktionsmaterialien für den Einsatz in der Biotechnologie. Im Mittelpunkt der Forschung stehen Strukturen, die molekulare Erkennungsreaktionen an biologischen Oberflächen nachahmen. Für die Entwicklung sich selbst organisierender supramolekularer Bausteine werden funktionelle Moleküle synthetisiert und zu Self-Assembly Monolagen (SAM) oder polymeren Nanopartikeln verarbeitet. Die Bauelemente werden dann modular mit technischen Materialien wie Polymere, Membranen oder Siliziumwafern gekoppelt. Und auf diese Weise die Oberfläche der angestrebten Materialien für biologische Erkennungsreaktionen ausgerüstet.

»Wir bewegen uns im dynamischen Grenzgebiet von Supramolekularer Chemie, Nanotechnologie und Biotechnologie«, erklärt Projektleiter Dr. Günter Tovar, »unsere neuen Funktionsmaterialien werden die Strapazierfähigkeit synthetischer Systeme mit der Spezifität biologischer Materialien kombinieren.« Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielseitig: Im Falle einer biosensorischen Anwendung ist dies der spezifische Stoffnachweis an der Sensoroberfläche. Biofunktionelle Membranen trennen Substanzen nach ihrer molekularen Gestalt. Bioaktive Oberflächen wirken unmittelbar auf ihre biologische Umgebung: Sie stoßen z. B. Biomoleküle ab oder lösen therapeutisch wirksame Signalkaskaden zur Krebsbekämpfung aus. Universelles Prinzip der Anwendungsbeispiele ist die molekulare Erkennung an der Materialoberfläche. Um das Projektziel realisieren, formierte Tovar eine junge Arbeitsgruppe aus Chemikern, Biochemikern und Verfahrenstechnik-Ingenieuren.

Die Nachwuchsforschergruppen werden für eine Zeit von fünf Jahren durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF sowie durch die Ministerien für Wirtschaft und für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg gefördert.