Fraunhofer-Leitprojekt »FutureProteins«

Gekoppelte Agrarsysteme für eine resiliente und ressourcenoptimierte Produktion

Klimawandel und Umweltbelastungen stellen die Proteinproduktion vor neue Herausforderungen. Proteinquellen aus Pflanzen, Algen, Insekten und Pilzen bieten eine Alternative zu tierischen Nahrungsmitteln. Fraunhofer verfolgt im Leitprojekt FutureProteins daher das Ziel, zukunftsweisende Technologien für die Agrarwirtschaft und die Lebensmittelindustrie zu entwickeln: Sechs Fraunhofer-Institute entwickeln gemeinsam neue innovative Anbausysteme, Gewinnungsprozesse und Verarbeitungsverfahren, um Pflanzen-, Pilz-, Insekten- und Algenproteine für die Herstellung sensorisch ansprechender, nachhaltiger und proteinreicher Nahrungsmittel nutzbar zu machen.

Resiliente und nachhaltige Proteinproduktion – FutureProteins

Geschlossene Agrarsysteme für eine umweltschonende Proteinversorgung

Die intensive Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte hat mit dem Einsatz großer Mengen an Düngemitteln und Pestiziden in der Umwelt Spuren hinterlassen, die in Kombination mit den Folgen des Klimawandels in der Zukunft besonders die Proteinversorgung verändern werden. In der westlichen industrialisierten Welt sind tierische Nahrungsmittel, die mit einem hohen Energieaufwand und einem hohen Einsatz an Futtermitteln, insbesondere aus Soja, produziert werden, derzeit die Proteinquelle Nummer eins. Um Proteine ressourcenschonend und nachhaltig zu erzeugen, müssen alternative Proteinrohstoffe erschlossen werden. »FutureProteins« setzt sich zum Ziel, für die Erzeugung von Proteinrohstoffen geschlossene Agrarsysteme zu entwickeln, in denen auch Nebenströme wertgebend genutzt werden. Die Herausforderung ist, dafür wirtschaftlich effiziente und industriell umsetzbare Systeme und Prozesse zu schaffen.

Pflanzen, Insekten, Pilze und Algen als neue Proteinrohstoffe

Pflanzen (z. B. Kartoffeln, Weizengras und Luzerne), Insekten, filamentöse Pilze und Mikroalgen stehen im Fokus der Forschung von »FutureProteins«. Neben einem hochwertigen und ausgewogenen Aminosäureprofil und guten Verarbeitungseigenschaften sind die sensorischen Eigenschaften von alternativen Proteinen entscheidend für den Einsatz in Lebensmitteln und sollen daher verbessert werden.

Im Sinne der Nachhaltigkeit werden in »FutureProteins« vier geschlossene Anbausysteme entwickelt, die eine ganzjährige und klimaunabhängige Produktion möglich machen und damit hocheffizient, resilient und nachhaltig sind:

  • Vertical Farming für Pflanzen
  • Insect Farming für Insekten
  • Nährmedien für Pilze
  • Photobioreaktoren für Algen
Gesamtdarstellung Fraunhofer-Leitprojekt »FutureProteins«
© Fraunhofer IGB
Gesamtdarstellung Fraunhofer-Leitprojekt »FutureProteins«

Vertical Farming für Pflanzen

Mit dieser Anbauweise können 95 Prozent des Wasserverbrauchs und 50 Prozent des Düngerbedarfs eingespart werden. Pestizide werden durch das geschlossene System unnötig. Für eine hohe Energie- und Kosteneffizienz des Vertical Farmings entwickeln Wissenschaftler im Rahmen von »FutureProtein« ein hybrides Beleuchtungssystem für die Pflanzen. Sonnenlicht und LED-Belichtung werden hier dynamisch kombiniert.

Insect Farming für Insekten

Die Herausforderung hier stellt die Verhinderung des Eintrags von insektenpathogenen Keimen dar, um einen Verzicht von Antibiotika und Pestiziden zu ermöglichen. Dafür entsteht in »FutureProteins« ein komplexes Überwachungssystem, das die Insektenaufzucht vor Insektenpathogenen schützt. Ein molekulares Nachweissystem für Insekten- und Lebensmittelpathogene wird am IGB entwickelt.

Nährmedien für Pilze

Bei der Kultivierung von Pilzen entstehen durch die Bereitstellung geeigneter Nährmedien hohe Kosten. In »FutureProteins« werden Nährmedien durch Kreislaufführung von Prozessnebenströmen unter dem Kostenaspekt optimiert. Am IGB werden hierzu geeignete Pilze gescreent und in Submerskultur gezüchtet. Die aussichtsreichsten Substratkombinationen werden in den 300-Liter-Maßstab skaliert.

Photobioreaktoren für Algen

Für die Optimierung der Algenkultivierung in Photobioreaktoren wird am IGB ein kompakter Stack-Photobioreaktor entwickelt, dessen einzelne Panele mit LED beleuchtet werden. Die einzelnen Reaktormodule lassen sich so dicht in Stacks hintereinander schalten. Eine KI-basierte prädiktive Steuerung soll zudem die Lichtausbeute optimieren und den Energieaufwand senken.

Molekulare Diagnostik für automatisiertes Insect Farming

Die nachhaltige Produktion von Insektenproteinen als Futter für Nutztiere und Nahrung für den Menschen stellt eine weltweit prosperierende Alternative zu konventionellen Eiweißquellen wie beispielsweise Fleisch- und Milchprodukten für die Gewinnung von Proteinen dar. Mit der Novel-Food-Regulierung der EU können seit Januar 2018 Nahrungsmittel aus Insekten in Europa für den Markt zugelassen werden. Seit 2019 wird die erste Lebensmittelinsektenfarm in Deutschland betrieben.

 

Microarray
© Fraunhofer IGB
Inhouse-Herstellung eines Prototyps zum molekularen Nachweis von Insektenpathogenen
DNA-Microarray
© Fraunhofer IGB
Detektion der Erreger durch Fluoreszenzsignale

Insekten als Proteinquelle: Nachweis der Pathogenfreiheit

Die Produktion von Insekten im industriellen Maßstab begünstigt allerdings auch die Ausbreitung von Krankheiten, die zum Zusammenbruch der Insektenzucht, zu Produktionsausfällen und damit zu empfindlichen finanziellen Einbußen führen können. Darüber hinaus müssen die insektenbasierten Lebensmittel frei von Human- und Tierpathogenen sein.

Ein spezifisches und effizientes Nachweissystem für pathogene Keime in Insektenfarmen, das automatisiert, digital und hochdurchsatzfähig ist sowie zeitnah und vor Ort Ergebnisse liefern kann, fehlt bisher. Aktuell erfolgt die Identifizierung von Mikroorganismen im Darm und in den Aufzuchtbehältern von Insekten mit klassischen kulturabhängigen Verfahren oder über metagenomische Ansätze. Beide Methoden sind teuer, aufwendig sowie langwierig und für die tägliche Routineinspektion in Insektenfarmen nicht geeignet.

DNA-basierter Nachweis von Insektenpathogenen

Im Rahmen des Leitprojekts FutureProteins entwickelt das IGB gemeinsam mit den Fraunhofer-Instituten IME und IVV ein automatisiertes Überwachungssystem für das Insektenfarming: Hierzu wird am IGB ein molekulares Nachweissystem für die elf wichtigsten insektenassoziierten Pathogene entwickelt. Auf Basis einer isothermalen Amplifikationstechnik werden DNA-Signaturen der Erreger aus dem Probenmaterial vervielfältigt, dabei fluoreszenzmarkiert und im Anschluss über eine spezifische, immobilisierte Sonde gebunden. Das dabei erzeugte Signal wird optisch ausgelesen und anhand einer einfachen Matrix ausgewertet. Diese Technik erlaubt eine deutlich einfachere Handhabung als die bisher gängigen PCR-Anwendungen. Zukünftig wird das entwickelte Nachweissystem zur Routineuntersuchung an Produktionsstätten in ein teil- oder vollautomatisiertes Inline-System integriert und kann letztlich dazu beitragen, den Einsatz von Antibiotika zu minimieren sowie die ressourcenschonende Produktion von Proteinen zu fördern.

Schematischer Workflow für ein multiparallele Nachweissystem von Pathogenen: spezifische DNA-Sequenzen unterschiedlicher Infektionserreger werden vervielfältigt, fluoreszenzmarkiert und über eine Sonde auf einem Microarray fixiert.
© Fraunhofer IGB
Für das multiparallele Nachweissystem von Pathogenen werden spezifische DNA-Sequenzen unterschiedlicher Infektionserreger vervielfältigt, fluoreszenzmarkiert und über eine Sonde auf einem Microarray fixiert.

Verfahrenstechnische Aspekte

Optimierte Proteinextraktion und Aufarbeitung

Zur Optimierung der Extraktion der Proteine werden Pilze und Mikroalgen am IGB mittels Druckwechseltechnologie aufgeschlossen. Feststoff- und Flüssigfraktion werden über verschiedene Verfahren in ihre einzelnen Bestandteile aufgetrennt, die entweder zu Proteinprodukten verarbeitet oder in die Kultivierungsprozesse zurückgeführt werden können.

Produktherstellung: Hochwertige Lebensmittel mit neuen Proteinrohstoffen

Die einzelnen Proteinrohstoffe unterscheiden sich sowohl in den sensorischen als auch in den funktionellen Eigenschaften. Für die Optimierung der Proteineigenschaften werden spezifische Extraktions- und Modifikationsverfahren erforscht und Rezepturen für geschmackvolle Lebensmittel mit einer hohen Verbraucherakzeptanz entwickelt.

Geschlossene Agrarsysteme als kosteneffiziente und geschlossene Kreisläufe

»FutureProteins« forciert bei allen Anbausystemen eine geschlossene Kreislaufführung von Stoff- und Energieströmen. Am IGB wird Prozesswasser für eine Wiederverwendung aufbereitet, ebenso werden Nährstoffe für neue Kultivierungszyklen zurückgewonnen. Beim Herstellprozess anfallende Nebenströme werden einer wertschöpfenden Nutzung zugeführt, z. B. als Kultivierungssubstrat für Insekten, Pilze oder Algen.

Beurteilung der Nachhaltigkeit  

Abschließend werden die entwickelten Agrarsysteme und Proteingewinnungsverfahren hinsichtlich ihres Ressourceneinsatzes sowie ihrer Nachhaltigkeit im Vergleich zu konventioneller Erzeugung beurteilt.  

Förderung

Das Projekt wird über die Leitprojekt-Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft gefördert. Hiermit will die Fraunhofer-Gesellschaft den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, indem wissenschaftlich originäre Ideen schnell in marktfähige Produkte umgesetzt werden.

Das Ziel von Fraunhofer-Leitprojekten ist es, die deutsche Industrie mit konkreten Lösungen zu unterstützen, um eine schnelle Umsetzung für den Markt zu ermöglichen.

Mit der gebündelten Wissenschaftskompetenz von Fraunhofer aus unterschiedlichsten Fachrichtungen werden Industrieunternehmen unterstützt, um innovative Marktideen zügig zu marktfähigen Produkten werden zu lassen.

Fraunhofer greift dafür aktuelle Herausforderungen für die Industrie heraus. Der Fokus richtet sich besonders auf Themen, die im wirtschaftlichem Interesse stehen. Um die Forschung zielorientiert und praxisnah auszurichten werden die Industriepartner frühzeitig in die Projekte eingebunden.