Menschliches Immunsystem in der Mikrotiterplatte

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Sind chirurgische Instrumente oder Implantate mit Rückständen von Bakterien – Pyrogenen – verunreinigt, kann dies zur Blutvergiftung führen. Forscher am Fraunhofer IGB haben einen Test entwickelt, der das menschliche Immunsystem im Labor nachstellt und Tierversuche ersetzt.

© Fraunhofer IGB
Das zellbasierte Testsystem stellt das menschliche angeborene Immunsystem in der Mikrotiterplatte nach.

Endoskope und Katheter werden nach dem Einsatz im OP oftmals recycelt. Tests stellen sicher, dass die Geräte den nächsten Patienten nicht gefährden: Zum einen müssen sie steril sein, also frei von lebenden Bakterien. Zum anderen dürfen keine Pyrogene an ihnen hängen – Fieber erzeugende Rückstände von Pilzen oder Bakterien. Denn gelangen diese in die Blutbahn des Patienten, droht eine Blutvergiftung.

Bisher kann man Pyrogene über drei verschiedene Methoden nachweisen: Etwa über Tierversuche am Kaninchen – diese sind ethisch umstritten und teuer. Oder an menschlichem Vollblut: Werden Pyrogene zugegeben, schütten die Immunzellen Fieber erzeugende Stoffe aus, die im Labor nachgewiesen werden können. Das Problem bei diesem Test: Man braucht einen gesunden Blutspender, zudem muss das Blut möglichst frisch sein. Eine dritte Möglichkeit Pyrogene aufzuspüren, ist ein Extrakt aus dem Pfeilschwanzkrebs. Sobald die Fieber erzeugenden Stoffe zugegeben werden, gerinnt es. Dieser Test erkennt jedoch nur Pyrogene von bestimmten Bakterien – Gram-negativer Bakterien –, also nur einen geringen Teil der gesamten Pyrogene.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart haben nun eine Möglichkeit gefunden, die Nachteile der etablierten Tests zu umgehen. »Wir haben das angeborene menschliche Immunsystem in einer Zellkultur nachgestellt«, sagt Dr. Steffen Rupp, Privatdozent und Leiter des Projekts am IGB. »Dafür verwenden wir eine mammalische Zelllinie, also Zellen, die man sehr lange vermehren kann, ohne dass sie absterben. Man braucht daher keinen menschlichen Spender«. Die Forscher schleusen die DNA eines menschlichen Rezeptors in die Zellen ein, der die Pyrogene erkennt. Daraufhin bilden die Zellen den Rezeptor und setzen ihn als eine Art Wächter auf ihre Außenseite. Doch woher wissen die Forscher, ob der Rezeptor ein Pyrogen entdeckt hat? »Das verrät uns ein Reporter-Gen. Es ruft eine Farbänderung hervor, wenn der Rezeptor ein Pyrogen geschnappt hat«, sagt Rupp. Ein weiterer Vorteil: Das System ist wesentlich kostengünstiger als die üblichen Methoden. Für Pyrogene Gram-negativer Bakterien ist es bereits einsatzbereit und damit vergleichbar mit dem Pfeilschwanzkrebs-Test. Auch für die Pyrogene Gram-positiver Bakterien haben die Forscher den Test mittlerweile mit entsprechenden Rezeptorkombinationen ausgebaut. So werden nicht nur pyrogene Bestandteile von Mikroorganismen erkannt, sondern sogar die jeweiligen Bakterien identifiziert. Damit eignet sich das Testsystem auch für den Nachweis von Sepsiserregern in der medizinischen Diagnostik. »In etwa zwei bis drei Jahren sollte das Verfahren durch Verwendung weiterer Rezeptoren das gesamte Immunsystem abbilden«, schätzt Rupp. Dann könnte der Test vorbereitet und eingefroren an die Kunden geschickt werden – eine eigene Zellkulturtechnik brauchen sie dazu nicht.

Ein Zellmodell, das zeigt, wie die Signalkaskade im Testsystem funtioniert, wird auf der BIO International Convention in Washington, USA, vom 27.-30. Juni 2011 am Fraunhofer-Stand (Stand 2305 des Deutschen Pavillons) gezeigt.